Die Todesgruft von Bally Moran
um nicht Dans Grinsen sehen zu müssen. Der Professor allerdings war entzückt von Jesses Vorschlag. Ihn freute es, wenn jemand an seinem Wissen teilhaben wollte, und er schien von Jesses Hintergedanken nichts bemerkt zu haben.
Als Peggy und Dan aus der Schloßtür traten, lag der riesige Hof im Sonnenlicht vor ihnen. Hier und da hing eine zarte weiße Wolke über den zerfallenen Ruinen der anderen Gebäude.
»Das Sonnenlicht muß in diesem Land etwas sehr Kostbares sein.« Dan blinzelte geblendet durch das grelle Sonnenlicht und blickte kopfschüttelnd in den langen dunklen Gang zurück, den sie gerade verlassen hatten. »Ich möchte nur wissen, warum sich die Leute hier überall hinter so gräßliche Steinmauern verkriechen.«
Peggy zuckte die Achseln. »Die ersten der Familie St. More sollen ja von der Ostküste gekommen sein. Die haben bestimmt angenommen, hier würden nur Wilde leben, und haben sich deshalb so eingemauert. Mit den engen tunnelartigen Eingängen werden sie sich sicherer gefühlt haben. Der Schloßgraben hat wohl zum gleichen Zweck gedient.«
Sie bummelten über den Schloßhof und durch dessen verwilderten Garten und kletterten in den zerfallenen Gebäuden herum. Dan immer ein paar Schritte voraus, um ihr bei einer schwierigen Stelle zu helfen. Sie bewunderte heimlich, mit welcher Geschmeidigkeit er über hohe Mauern sprang, und Zärtlichkeit erfüllte sie, wenn der leichte Wind ihm eine Locke in die Stirn wehte und seinem Gesicht einen jungenhaften Ausdruck gab. Wenn er in so einem Augenblick den Arm um sie gelegt hätte, wäre ihre ganze künstlich aufgebaute Abwehr dahingeschmolzen. Aber sie wollte es nicht soweit kommen lassen. Nicht, solange sie nicht ganz genau wußte, daß auch er sie liebte.
Sie zuckte fast zusammen, als er plötzlich nach ihrer Hand griff und sie zu einem Gebäude zog, das weniger zerfallen wirkte als die anderen. Dan deutete auf das wieder instand gesetzte Dach. »Vermutlich hat es gelegentlich als Geräteschuppen gedient«, sagte er.
»Und einen Schornstein hat es auch«, stellte Peggy rasch fest, nur um etwas zur Unterhaltung beizutragen und um ihm keine Gelegenheit zu geben, sie zu küssen. Dabei sehnte sie sich brennend nach seinem Kuß, und sie verwünschte innerlich das Gerede über Dach und Geräteschuppen. Warum sagte er ihr nicht, daß er sie liebe, und nahm sie in seine Arme? Kaum hatte sie das gedacht, war sie auch schon wieder wütend über sich selbst. Sie wollte doch nicht etwa hier stehen und warten, daß er sie küßte und sich damit in den Schwärm seiner Verehrerinnen einreihen! Nein, sie würde sich nicht lächerlich machen, nahm sie sich vor.
»Nun mach doch nicht so ein wütendes Gesicht, Peggy«, sagte Dan in ihre Gedanken hinein. »Ich wollte dich ja gar nicht zu küssen versuchen.«
Sie riß die Augen auf und schnappte nach Luft, wollte einfach nicht glauben, daß er ihre Gedanken erraten hatte. »Ich habe nicht... ich wollte niemals...«
»O doch, du hast.« Sein Gesicht war dicht über ihr. Sie sah den lächelnden Mund und das Lächeln in den Augen. Aber sie sah nicht, daß dieses Lächeln ein heftiges Verlangen verbarg.
Peggy war viel zu verwirrt und viel zu wütend, um es zu bemerken. Sie sah nur, daß er über sie lachte, daß er ihren Stolz verletzte und sich an ihrer Verlegenheit freute. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist, Dan«, funkelte sie ihn zornig an. »Wenn du denkst, du hättest zu entscheiden, ob du mich küssen kannst oder nicht, hast du dich gewaltig getäuscht. Und wenn ich nicht will, kannst du überhaupt nichts erreichen, und falls ich wollte...« Sie verschluckte das Ende des Satzes, denn sie spürte, daß sie erregt war und dabei vielleicht nur etwas Dummes herauskommen könnte.
Dan wartete geduldig, blickte ihr unverwandt in die sprühenden Augen und konnte sich eines kleinen amüsierten Lächelns nicht enthalten. Doch als sie mitten im Satz verstummte, verteidigte er sich: »Ich merkte, daß du Schwierigkeiten hattest, dich zu entscheiden und wollte dir doch nur helfen.«
»Aber ich brauche deine Hilfe nicht! Ich kann sehr gut allein entscheiden.« Sie versuchte, ihrem Gesicht einen abweisenden Ausdruck zu geben, merkte sie doch, daß er sie tatsächlich durchschaut hatte. Aber auch sie wußte nun, woran sie mit ihm war. Es war offensichtlich, daß er sie nicht liebte. Die Erkenntnis zerschnitt ihr fast das Herz, und sie wagte nicht, zu ihm aufzublicken, um ihm ihren Schmerz nicht zu zeigen.
Sie wollte
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