Die Todesgruft von Bally Moran
sich abwenden, aber er hielt sie an den Schultern zurück und zwang sie, ihn anzusehen. »Ich hätte nie gedacht, daß es noch Mädchen gibt, die so altmodisch denken wie du.«
Altmodisch! Peggy blieb vor Empörung die Luft weg. Aber bevor sie auf diese Beleidigung die richtige Entgegnung finden konnte, lenkte sie ein merkwürdiges Geräusch aus dem Innern des Schuppens ab. Es bewegte sich etwas, raschelte und scharrte. Dan nahm die Hände von ihren Schultern und schob Peggy hinter sich, ohne den Blick von der dunklen Türöffnung zu lassen. Peggy beugte sich zur Seite, um an seiner Schulter vorbeizusehen, aber er schob sie mit energischem Druck zurück, so daß er sie gegen den Schuppen voll- kommen verdeckte.
Dann begann er langsam von der Seite her, auf die Türöffnung zuzugehen. Peggy hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt und spürte, wie seine Muskeln sich spannten. Er schlich wie ein breites Schutzschild vor ihr her, sie konnte nichts sehen. Aber plötzlich merkte sie, wie seine Schultern sich lockerten und hörte ihn auflachen. Er wandte sich halb um, legte ihr einen Arm um die Taille und zog sie immer noch lachend in den Schuppen. Und da entdeckte sie, worüber er sich so amüsierte. Ein Pferd stand vor einen Wagen gespannt in dem dunklen Raum und scharrte ungeduldig auf dem Boden. Ein Wagenrad hatte sich zwischen zwei großen Steinen verklemmt. Peggy mußte ebenfalls lachen; es sah zu ulkig aus, wie das Pferd ihnen mit verzweifelt rollenden Augen entgegenstarrte. Doch im nächsten Augenblick verstummte sie. Wenn das Tier so aufgeregt war, mußte es schon eine ganze Zeit hier hilflos gefangen sein.
Peggy eilte zu ihm und streichelte es. »Wem mag es gehören, Dan?«
Dan ging um den Wagen herum und hob das Rad aus der tiefen Steinspalte. »Nimm es am Halfter, Peggy, und führe es hinaus. Aber mach möglichst einen Bogen um die abgebröckelten Mauerstücke hier.«
Es war nicht so einfach, die herumliegenden Steine zu umfahren. Manchmal mußte Dan die Räder sogar darüber heben. Aber endlich hatten sie es geschafft, und Peggy führte das Pferd sofort zu einem mit Regenwasser gefüllten Trog, wo es lang und gierig trank.
Peggy stand neben dem Wagen, während Dan sich das Pferd ansah. Auf dem Kutschsitz lag etwas unordentlich in Papier eingewickelt. Stirnrunzelnd griff Peggy danach, um es sich anzusehen. Aber sie hatte Schwierigkeiten, das Papier war am Sitz festgeklebt; mit getrocknetem Blut, wie sie sah. Sie zog kräftig daran, das Papier riß auseinander und ließ den Inhalt sehen: Es war ein Hähnchen.
»Das muß Mollys Pferd sein«, sagte Dan überflüssigerweise in diesem Moment, und sie nickte nur. Natürlich! Jetzt erinnerte sie sich. Molly hatte ihnen gestern ein Hähnchen bringen wollen. Sie befühlte das Hähnchen, es war schmierig, und übler Gestank stieg von ihm auf. Es hatte zu lange im Warmen gelegen. Peggy schob es angewidert von sich.
»Dan«, rief sie und deutete darauf, als er neben sie trat, »Molly muß gestern hiergewesen sein. Sie hatte uns am Abend zuvor versprochen, ein Hähnchen zu bringen, und da ist es. Es stinkt bereits. Aber ich verstehe nicht, wo sie sein kann? Und warum sie es einfach hier liegengelassen hat? Und warum ist das Pferd noch hier und der Wagen?«
16
Professor Mulcahy hörte sich ihre Geschichte nicht bis zu Ende an. Kaum hatten sie erwähnt, daß sie Mollys Wagen und das Pferd gefunden hatten, war er aus dem viktorianischen Zimmer hinausgeschossen und ließ Jesse mit einer kostbaren alten Uhr in der Hand einfach stehen. Er stand bereits neben dem Wagen und starrte nachdenklich auf das übelriechende Hähnchen, als sie ihn erreichten.
Er blickte auf und schüttelte den Kopf. »Ich begreife, daß Molly aus Angst das Schloß nicht betreten wollte. Aber es paßt überhaupt nicht zu ihr, daß sie das Vieh hier einfach verkommen läßt. Das würde sie nie machen.« Ihm schien auf einmal etwas einzufallen. »Gestern war es doch so nebelig, nicht wahr? Man hätte eine Wand erst gesehen, wenn man in sie hineingerannt wäre. Es könnte doch sein, daß Molly aus dem Wagen gestiegen ist und dann irgendwie die Richtung verloren hat. Sie hat die Schloßtür nicht gefunden, aber auch nicht mehr Pferd und Wagen. Sie ist vielleicht gestürzt und liegt irgendwo hilflos!« Er blickte erregt nach allen Seiten, aber Peggy erzählte ihm, daß sie bei ihrem Rundgang nichts entdeckt hatten.
Doch das befriedigte den Professor nicht. »Das ist kein Beweis. Sehen Sie doch, hier
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