Die Todesliste
Reihe war.
Er hatte natürlich kein Visum. Visa wurden bei der Ankunft gekauft, das wusste er, denn er war schon hier gewesen. Der Offizier studierte die älteren Ein- und Ausreisestempel, und konsultierte dann eine Liste. Da stand niemand namens Jensen.
Der Däne schob einen Fünfzig-Dollar-Schein unter der Glasscheibe hindurch.
»Für das Visum«, sagte er leise auf Englisch. Der Offizier zog den Schein zu sich heran und bemerkte den zweiten Fünfziger zwischen den Seiten des Passes.
»Eine Kleinigkeit für Ihre Kinder«, sagte der Däne.
Der Offizier nickte. Ohne zu lächeln, gab er den Visumsstempel, warf einen Blick auf die Gelbfieber-Impfbescheinigung, klappte den Pass zu und reichte ihn mit einem Kopfnicken zurück. Für seine Kinder, natürlich. Ein ehrenwertes Geschenk. Schön, mal einen Europäer zu sehen, der die Regeln kannte.
Draußen standen zwei klapprige Taxis. Der Däne warf seine Reisetasche in das erste, stieg ein und sagte: »Peace Hotel, bitte.« Der Fahrer nahm Kurs auf die torgesicherte Ausfahrt des Flughafengeländes, die von ugandischen Soldaten bewacht wurde.
Der Flughafen liegt mitten im Stützpunkt der Afrikanischen Union, einer Zone innerhalb der Enklave von Mogadischu, umgeben von Stacheldraht, Sandsäcken, Splitterschutzmauern und patrouillierenden Casper-Schützenpanzern. Im Innern dieser Festung befindet sich eine weitere Festung: In Camp Bancroft wohnen die »Whiteys«, ein paar hundert Mitarbeiter von Baufirmen und Hilfsorganisationen, vorübergehend anwesende Journalisten und eine Handvoll ehemaliger Söldner, die als Bodyguards für die dickeren Fische arbeiten.
Die Amerikaner wohnten in einer eigenen Anlage am Ende der Startbahn. Dort standen ihre Botschaft, ein paar Hangars mit unbekanntem Inhalt und eine Schule für die Ausbildung junger Somalis, die eines Tages als amerikanische Agenten in das gefährliche Somalia zurückgeschleust werden sollten. Wer Somalia aus langer, ernüchternder Erfahrung kannte, wusste, dass dies nur ein schöner Traum war.
In diesem inneren Heiligtum, durch das sein Taxi jetzt fuhr, befanden sich auch die anderen Miniansiedlungen, in denen die Vereinten Nationen sowie hohe Offiziere der Afrikanischen Union untergebracht waren, und hier stand die kümmerliche britische Botschaft, die leidenschaftlich und wahrheitswidrig darauf bestand, keine gewöhnliche »Schlapphut-Zentrale« zu sein.
Der Däne Jensen wagte nicht, in Bancroft zu wohnen. Er könnte dort auf einen anderen Dänen oder einen echten Mitarbeiter von »Save the Children« stoßen. Lieber zog er in das einzige Hotel außerhalb der Barrikaden, wo ein Weißer halbwegs ungefährdet absteigen konnte.
Das Taxi rollte durch das letzte bewachte Tor – noch mehr rot-weiße Schlagbäume, noch mehr ugandische Soldaten – und hinaus auf die Straße, die eine Meile weit ins Zentrum von Mogadischu führte. Obwohl der Däne nicht zum ersten Mal hier war, sah er immer noch mit Staunen, wie diese einstmals elegante afrikanische Stadt durch zwanzig Jahre Bürgerkrieg in ein Meer von Schutt verwandelt worden war.
Das Taxi bog in eine Gasse. Ein bezahlter Straßenbengel zerrte einen Stacheldrahtverhau zur Seite, und ein drei Meter hohes Stahltor öffnete sich knarrend. Das alles ging ohne Worte vonstatten. Jemand hatte durch ein Guckloch gespäht.
Der Däne bezahlte das Taxi, checkte ein und wurde auf sein Zimmer gebracht. Es war klein und funktional, hatte Milchglasfenster (damit der Bewohner unerkannt blieb), und die Vorhänge waren geschlossen (zum Schutz vor der Hitze). Er zog sich aus, stellte sich für eine Weile unter die lauwarm tröpfelnde Dusche und seifte sich ein, so gut es ging. Dann trocknete er sich ab und zog frische Sachen an.
Mit Flipflops, groben Segeltuchjeans und einem langen, offenen Hemd war er fast so gekleidet wie ein einheimischer Somali. Er trug eine Schultertasche und eine dunkle Wraparound-Sonnenbrille. Seine Hände waren gebräunt von der israelischen Sonne, aber mit dem blassen Gesicht und den blonden Haaren sah er eindeutig europäisch aus.
Er wusste, wo man Motorroller mieten konnte, und das Peace Hotel rief ihm ein zweites Taxi, das ihn dorthin brachte. Im Wagen nahm er das schemagh aus der Schultertasche und schlang es sich um das blonde Haar. Das herabhängende Ende zog er sich über das Gesicht und stopfte es auf der anderen Seite unter den Stoff. Daran war nichts Verdächtiges; wer ein schemagh trägt, schützt Nase und Mund oft vor Staub und Wind.
Er
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