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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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schüttelte die Beine aus, glitt eine Weile übers Eis und setzte zu einem neuen Versuch an. Wieder die Vorbereitung: Gewichtverlagerung auf die Außenkante, das freie Bein nach hinten und hoch! Diesmal gelang der Sprung, sie landete sicher und setzte noch einen doppelten Toeloop drauf.
    «Bald schafft sie den dreifachen», murmelte Luoto vor sich hin. Dann bemerkte er Koivus Gesichtsausdruck und fügte hinzu: «Sie ist gut, nicht wahr? Perfekte Technik und makellose Bögen. Wenn sie lernt, mehr Ausdruck zu zeigen, wird sie Medaillen einfahren, zumindest bei Europameisterschaf-ten. Silja könnte ein wenig von Nooras dramatischem Wesen vertragen. Noora hat ihre Gefühle nicht zurückgehalten, im Gegenteil, man musste sie eher bändigen.»
    Laut Zulassungsregister hatte Rami Luoto kein Auto. Ich hatte vergessen nachzuprüfen, ob er einen Führerschein be-saß. Vielleicht war er Janne und Noora nachgelaufen, hatte abgewartet, bis sie sich nach ihrem Streit trennten, und dann vergeblich versucht, Noora zu beruhigen. Dabei war er selbst in Rage geraten und hatte sie erschlagen. Konnte es so gewesen sein? Aber wie hätte er Nooras Leiche ins Parkhaus schaffen sollen?
    Luoto, der von Teräsvuoris Freilassung gehört hatte, fragte verwundert, ob der KaraokeKönig tatsächlich unschuldig sei.
    «Diesen Mann hat Noora wirklich gehasst. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie auf ihn losgegangen ist und er in Not-wehr zu heftig zugeschlagen hat. Als Hanna von zu Hause wegging, war das ein schwerer Schlag für Noora, auch wenn sie die Gleichgültige spielte. Wir haben uns ganz schön anstrengen müssen, damit sie trotzdem im Sport und in der Schule weiterkam. Nicht jedes Mädchen hätte das geschafft, aber Noora – Noora war eine Kämpfernatur!»
    Ich hatte keine weiteren Fragen an den Trainer, seine Aussage über seinen Heimweg von der Eishalle zur Wohnung in der Liisankuja war klar und eindeutig gewesen. Wir konnten also gehen. Ich schubste Koivu an, der jedoch Siljas Sprung
    übungen so fasziniert beobachtete, dass er nichts merkte.
    Rami Luoto lächelte mir verschwörerisch zu, offenbar war ihm klar geworden, worauf Koivus überraschendes Interesse für die Feinheiten der Kombination von dreifachem Lutz und dreifachem Toeloop beruhte. Neugierig maß er Koivu, registrierte die breiten Schultern, die Grübchen an den Wangen, seine ganze Erscheinung, die an einen knuddeligen Teddybä
    ren erinnerte. Die blaue Polizeiuniform hatte meinem Kollegen blendend gestanden, aber auch in Jeans machte er eine gute Figur. «Er sieht nett aus», sagte Luoto halblaut zu mir.
    «Er ist auch nett», erwiderte ich. Wie üblich vergaß ich die Rollenverteilung zwischen Polizisten und Verdächtigen und wurde zum Kumpel. Rami Luoto hatte etwas Vertrauen Er-weckendes. Deshalb kam er wohl mit Jugendlichen so gut zurecht.
    Nachdem es mir endlich gelungen war, Koivu loszueisen, fuhren wir zur Dienststelle, wo ich Nooras Tagebücher ein-packte. Vielleicht enthielten sie wenigstens einen kleinen Hinweis, der mir zu verstehen half, was am Abend des Mordes geschehen war. Koivu fuhr mich nach Hause. Unterwegs fragte er schüchtern:
    «Was meinst du, Maria, ob ich mit Silja ausgehen kann, wenn dieser Fall abgeschlossen ist?»
    «Wie schön, dass du den Fall auch so schnell wie möglich erledigen willst», lachte ich. «Aber sie ist erst siebzehn.»
    «Du meinst, sie hält mich für uralt?»
    «Vielleicht auch nicht … Warum man sich in jemanden verliebt, ist total mystisch, da kann man gar nichts vorhersa-gen», erklärte ich wie eine Kummerkastentante. Koivu wurde wieder rot und gab auf dem Rest des Wegs kein Wort mehr von sich.
    Am Abend las ich in Nooras Tagebüchern. Die ersten sechs hatte sie geschrieben, als sie noch keine zehn war, sie enthielten Aufzeichnungen über Schule und Training. Das einzig Bemerkenswerte an ihnen war Nooras frühreifer, präziser Stil. Sorgfältig hatte sie ihre Noten eingetragen, ebenso die Trainingsstunden und die Punkte in den ersten Wettkämpfen. Zwischen den Zeilen war herauszulesen, dass sie nicht viele Freundinnen gehabt hatte. Auch einige Eifersuchts-dramen waren hier festgehalten. Einmal hatte es ihr fast das Herz gebrochen, als eine gewisse Tinja nicht mehr ihre beste Freundin sein wollte. Tinja fand, Noora hätte nur den Eiskunstlauf im Sinn und zu wenig für die Reitstunden übrig.
    Eigentlich finde ich Pferde blöd. Ich verstehe nicht, was Tinja und die anderen an ihnen so toll finden. Jede Woche wie ein

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