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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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nein, so hat er sich nicht ausgedrückt, er hat gesagt, im Paarlauf könnte ich noch besser werden als im Einzellauf. Meine Ausdrucksfähigkeit und Geschmeidigkeit kommen am besten zur Geltung, wenn ich mit einem Jungen laufe, und wegen der dreifachen Sprünge brauche ich mich dann auch nicht zu stressen, beim Paarlauf reichen ja Toeloop und Salchow.
    Er hat gesagt, er hätte schon einen Partner für mich gefunden.
    Was ich von Janne Kivi hielte? Ein arroganter Schnösel, der sich einbildet, gut auszusehen! Ich weiß, dass die Mädchen seine grü
    nen Augen anhimmeln, aber Eis laufen kann er nicht.
    Nooras Ärger war bald verflogen, schon im Januar 1994 hatte sie ihre Ansicht geändert:
    Janne ist einfach phantastisch! Dass man uns beide zum Paar gemacht hat, ist das Beste, was mir je passiert ist. Vielleicht wollte Rami etwas wieder gutmachen. Die anderen Mädchen sind grün vor Neid, weil ich mit Janne laufen darf und wir unsere eigenen Trainingsstunden und Programme haben. Mit dem Timing gibt es natürlich Probleme, und Janne ist manchmal furchtbar langsam, aber irre stark. Ich hatte schreckliche Angst, als er mich zum ersten Mal gehoben hat, ich wiege ja viel zu viel, schon 45 Kilo. Ich muss unbedingt abnehmen, sonst hält er mich noch für eine Fettsau.
    Danach ging es in den Aufzeichnungen immer häufiger um Janne, alles andere trat in den Hintergrund. Janne und der Eiskunstlauf wurden eins, Hebungen und Kreuzfassungen registrierte Noora als Berührungen, die Umarmung nach dem erfolgreichen ersten Wettkampf war für sie mehr als eine beiläufige Geste. Die fünf Jahre Altersunterschied schienen sie nicht zu stören, aber welche Vierzehnjährige verliebt sich schon in einen Gleichaltrigen. Ich dachte an meine erste Liebe, an den schönen Gitarristen Johnny, und hatte das Ge-fühl, mich ganz und gar mit Noora identifizieren zu können.
    Auch als ihre Mutter erklärte, sie würde die Familie verlassen, war Janne für Noora wichtig gewesen.
    Ich kapier das einfach nicht! Mutsch hat einen anderen kennen gelernt, sie will sich von Paps trennen und zu dem Kerl ziehen. Sie sagt, sie hätte es satt, als unbezahlte Arbeitskraft in Paps’ Firma zu schuften und Sami und mich zu bedienen. Der Mann ist Karaokesänger, was findet der bloß an meiner uralten, fetten, langweiligen Mutter?
    Janne hat mich nach Hause gefahren, er hat mich gefragt, warum ich beim Training so down war, und da hab ich’s ihm erzählt.
    Er sagt, er kennt die Situation. Seine Eltern haben sich getrennt, als er zwölf war, jetzt sind beide wieder neu verheiratet. Keiner versteht mich so gut wie Janne. Rami hat auch versucht, mir was zu erklären, aber der soll lieber still sein.
    «Was liest du denn da?» Antti kam ins Schlafzimmer, Einstein auf dem Arm. «Macht Schnäppchen gerade Abend-gymnastik? Ich dachte, Einstein würde das gern mal erleben.»
    Er setzte den Kater vorsichtig auf meinen Bauch. Schnüppchen war offenbar zu Basketball übergegangen, seine Bewegungen waren kraftvoll und drängend, als versuchte es, einen Ball durch meine Bauchdecke zu stoßen. Einstein bestaunte das Gewoge ein paar Minuten, hielt es dann aber für klüger, sich ans ruhige Fußende zurückzuziehen. Ich schmiegte mich an Antti und genoss es, ihn, den Kater und das allmählich ruhiger werdende Baby zu spüren. Bald fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Acht
    Am nächsten Morgen nahm ich den Bus zum Rechtsmedizinischen Institut, um Nooras Leiche zu inspizieren und mit dem Pathologen zu sprechen, der sie obduziert hatte. Es war mein alter Bekannter Kervinen, der mindestens einmal im Monat die Marke seines Rasierwassers wechselte. Vielleicht hoffte er, dadurch den Leichengeruch zu übertünchen, der trotz der Kälte in den Kellerräumen dominierte.
    Leichen anzuschauen war mir nie besonders angenehm gewesen, doch ich hatte bewusst versucht, mich daran zu ge-wöhnen. Meistens hatte ich die Opfer ja nicht persönlich gekannt, sie wurden wirklicher, wenn ich sie wenigstens nach ihrem Tod zu Gesicht bekam. Tote reden nicht, heißt es, und doch erfuhr ich von den Leichen viel über die Art, wie sie gestorben waren. Ideal war es, das Opfer am Tatort in Augenschein zu nehmen, wo man im Allgemeinen konkrete Spuren fand. In Nooras Fall kannten wir den Tatort allerdings immer noch nicht.
    «Der Bericht ist fertig, ich habe ihn gerade rübergefaxt», sagte Kervinen lässig, als ich ihn im Gang traf. Heute duftete sein Rasierwasser nach Sandelholz und Leder, für ein

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