Die Toechter der Familie Faraday
Ereignissen derart traumatisiert, dass sie an Kinder nicht einmal denken konnte?
Der Mann neben ihr rührte sich. Sein teures Aftershave wehte zu Miranda herüber. Einer ihrer liebsten Männerdüfte. Genug der inneren Einkehr, entschied sie.
Sie schenkte ihm ihr gewinnendstes Lächeln. »Sind Sie eigentlich geschäftlich oder privat unterwegs?«
22
Das Licht war gedämpft. Im Hintergrund spielte leise Musik. Obwohl das Büro in Strandnähe lag, hatte keines der Fenster Meerblick. Zum Ausgleich hatte Eliza den Raum mit Seestücken dekoriert und die Wände in einem beruhigenden Hellblau gestrichen.
Der Mann ihr gegenüber suchte nach den richtigen Worten. »Es ist nicht so, als würde ich sie nicht lieben. Natürlich liebe ich sie.«
»Was also hält Sie zurück?«
»Die Angst vor der Verpflichtung.« Er grinste. Dieses Grinsen, dachte Eliza, hatte bestimmt eine ziemliche Wirkung auf Frauen. »Der Gedanke, dass ich dann nie mehr im Leben mit einer anderen Frau schlafen kann.«
Hinter Eliza summte es leise. »Richard, für diese Woche ist unsere Zeit um. Wenn Sie weiter darüber sprechen möchten, vereinbaren Sie bitte draußen einen Termin.«
»Ich danke Ihnen, Eliza.«
»Gerne.« Sie stand auf und überspielte das schmerzhafte Zucken, als ihr Bein gegen die plötzliche Bewegung protestierte.
Sie nutzte die kurze Pause zwischen ihren Terminen, um ihre E-Mails zu checken. Eine Nachricht stammte von Leo, von seinem Blackberry versandt.
Habe gerade mit Juliet gesprochen und gehört, dass Du nicht kommst. Wenn es eine Frage des Geldes ist, musst Du es nur sagen.
Sie schrieb, ohne nachzudenken. Sie würde die Antwort ohnehin niemals absenden:
Nein, es ist keine Frage des Geldes. Ich will mir nur meine geistige Gesundheit erhalten.
Sollte sie weiterschreiben?
Ich habe die Juli-Weihnachtsfeste sowieso immer gehasst. Wenn Maggie kommen würde, könnte ich es gerade noch ertragen, aber warum sollte ich mir das sonst antun? Insgesamt sechsundzwanzig Stunden Flugzeit von Australien, dann der Flug von London nach Belfast, die zweistündige Autofahrt, die sieben Nächte in einem unbequemen Bett, noch dazu in einem Zimmer mit klappernden Fenstern, das ungesund viele Essen, weil Juliet nicht aufhören kann zu kochen, die angespannte Atmosphäre, weil Miranda ständig mit ihr im Clinch liegt. Und über alldem schwebt Sadies Geist, doch keiner wagt, sie zu erwähnen; du, der du uns mit deinen Geschichten, dass sich die Auszahlung des großen Jackpots verzögert, am Gängelband hältst, damit wir brav Jahr um Jahr zurückkommen. Das klingt doch wie der zehnte Kreis der Hölle.
Sie war versucht, die E-Mail abzuschicken. Die sanfte Stimme ihrer Sekretärin, die sich über die Sprechanlage meldete, hinderte sie daran. Eliza drückte auf »Entfernen«.
Den zweiten Termin hatte eine Frau in Elizas Alter, Ende vierzig. Eliza blätterte durch ihre Akte und bat die Frau zu schildern, was seit ihrem letzten Termin geschehen war. Hatte sie sich um eine neue Stelle bemüht? Das Trainingsprogramm begonnen, um, wie geplant, vor ihrem fünfzigsten Geburtstag zehn Kilo abzunehmen? Aufgehört, ständig hinter ihrem pubertären Sohn herzuräumen?
Die Frau gab zu, dass sie nichts von alledem getan hatte.
»Katherine, es ist Ihre Entscheidung. Es ist Ihr Leben. Sie können die Dinge in Angriff nehmen oder auch nicht.«
»Manchmal wächst mir einfach alles über den Kopf.«
War sie Lebenscoach oder Psychologin? Häufig war es nur eine Gratwanderung. »Deshalb ist es ja so wichtig, alles in kleine Aufgaben zu unterteilen, die sich bewältigen lassen.«
»Sie sind mein großes Vorbild«, sagte die Frau voller Elan. »Sie haben alles. Unabhängigkeit. Ihr eigenes Unternehmen. Und ich weiß, dass es schwer für Sie war. Ihre Sekretärin hat mir von Ihrem Unfall erzählt, dass Sie wieder ganz von vorn anfangen mussten, aber sehen Sie sich an …«
»Wir sollten über Sie sprechen, nicht über mich.«
Eliza verließ das Büro um sechs Uhr. Vorher hatte sie noch eine Unterredung mit ihrer Sekretärin, bei der sie ihr ruhig, aber nachdrücklich erklärte, dass ihre Aufgabe darin bestand, Geheimnisse zu bewahren und nicht zu teilen.
An einer roten Ampel schaute Eliza auf ihr Handy. Noch immer keine Nachricht. In dem Moment klingelte es. Sie lächelte. Pünktlich war er zumindest.
»Eliza.«
»Mark.«
»Passt es dir jetzt?«
»Bestens«, sagte Eliza. »Bis gleich also.«
Er war vor ihr da und schenkte in der Küche schon ein Glas Wein
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