Die Toechter der Familie Faraday
mein Verwöhnprogramm, ganz gleich, wie du dich wegen Donegal und den Tagebüchern entscheidest. Und damit ist das Thema für heute abgeschlossen.«
Die Atmosphäre und das elegante Ambiente wirkten sich auf ihre Stimmung aus. Leo unterhielt Maggie mit kleinen Gedichthäppchen, seiner neuesten Leidenschaft. Maggie erzählte Leo von ihren ersten Tagen in New York – wie sie sich mit der U-Bahn verfahren hatte und zu Dichterlesungen gegangen war. »Ganz allein?«, fragte er.
Sie nickte. Sie hatte gar nicht versucht, Freunde zu finden. Ohne einen Job als Kontaktbörse wäre das auch sehr schwierig geworden. Sie hatte sich an ihre eigene Gesellschaft gewöhnt. Es hatte ihr gefallen, Zeit zum Nachdenken zu haben.
»Denk nicht zu viel nach«, mahnte Leo. »Das ist nicht gut für die Seele.«
Als sie ihre Desserts und den Kaffee beendet hatten, griff Leo in seine Jackentasche und zauberte einen Umschlag hervor. Auf sein Drängen hin öffnete sie ihn. Zwei Karten für The Producers , im St. James Theatre, nur zwei Blocks entfernt.
Ihre Augen weiteten sich. »Das ist doch seit Wochen ausverkauft. Wie bist du denn daran gekommen?«
»Vor allem mit Charme«, sagte Leo.
Sie gingen los. Sie ließen sich treiben, inmitten der Menschen, die zu anderen Broadway-Shows gingen. Viele verschiedene Sprachen schwirrten durch die Luft, elegante Paare schritten neben Gruppen in Straßenkleidung. Sie hatten großartige Plätze, und das Stück war fantastisch. Es war genau die Ablenkung, die Maggie brauchte – ein Anlass, die eigenen Gedanken beiseitezuschieben und sich im Schauspiel, der Musik und der Komik zu verlieren. Leo lachte so begeistert, dass er sich fast den Kopf an der Rückenlehne gestoßen hätte.
»Du musst doch völlig erschöpft sein, Leo«, sagte Maggie, als sie sich ihren Weg durch die Mengen bahnten, die aus dem Theater kamen, zu ihrem Treffpunkt mit dem Fahrer.
»Erschöpft? Keinesfalls. Die Nacht ist noch jung.«
»Es ist nach elf.«
»Das ist jung. Du bist jung. Ich bin im Herzen jung. Wir können noch nicht nach Hause gehen.«
Sie hatte erwartet, dass sie wieder ins Greenwich Village fahren würden, doch zu ihrem Erstaunen lenkte der Fahrer in die entgegengesetzte Richtung.
»Wohin fahren wir jetzt?«
»Ist dir nicht nach einem kleinen Schlummertrunk?«
Zehn Minuten später hielt der Fahrer vor einem irischen Pub. Maggie wusste sofort, warum sie dort waren und wer noch dort sein würde.
»Gabriel singt heute Abend hier, richtig?«
»Was soll ich dazu sagen?«, erwiderte Leo. »Er gefällt mir übrigens. Viel besser als Angus, wenn du mir die Bemerkung gestattest.«
»Aber bitte«, sagte Maggie. Schließlich empfand sie genauso.
Sie hörten schon von draußen Stimmengewirr, dazu Musik vom Band. Es klang nach den Pogues. »Hier sieht es ja wirklich wie in Donegal aus«, erklärte Leo, als sie ins Innere gingen, vorbei an Guinness-Postern, Regalen voller abgegriffener Bücher und Schränken mit alter Töpferware. Während Leo an die Bar ging, suchte sich Maggie einen Platz neben einem schiefen hölzernen Wegweiser mit irischen und englischen Schildern. Beinahe hätte sie sich den Kopf gestoßen. Die Tische im Schankraum waren zu drei Vierteln besetzt, mit Menschen verschiedenen Alters und verschiedener Herkunft. Links hörte Maggie einen irischen Akzent, vor sich einen amerikanischen. In der Ecke gegenüber war eine kleine Bühne, auf der unter einem roten Scheinwerfer ein Stuhl und ein Mikrofon warteten. Doch keine Spur von Gabriel.
Bis sie sich umdrehte. Er stand neben Leo, der zwei Gläser in der Hand hielt, eines mit Guinness, das andere mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit, vermutlich Whiskey.
Gabriel lächelte sie an. »Maggie, hallo. Was für eine angenehme Überraschung.«
»Gabriel, hat dich mein Großvater etwa belästigt? Ich möchte nicht, dass du uns für Stalker hältst.«
»Was, ihr seid keine? Nein, er war sehr höflich, nicht wahr, Leo? Er hat mich im Büro angerufen, und ich habe gesagt, ich wäre erfreut, euch heute Abend zu sehen. Vor zwei Menschen singt es sich leichter als vor einem leeren Saal.«
»Du hast doch fast ein volles Haus.«
»Das liegt aber nicht an mir. Heute werden hier zwei runde Geburtstage gefeiert, außerdem ist eine Reisegruppe aus Irland da, und es gibt ein Familientreffen. Wenn die sich alle etwas wünschen, gehe ich gleich von der Bühne ab.«
»Und es macht dir nichts aus, dass wir hier sind?«
In dem Moment wurde die Musik lauter gestellt.
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