Die Toechter der Familie Faraday
Obstschale versteckt. Vierzehn Tage später hatte sie das Parfum in einem Blumenkasten entdeckt. Im vergangenen Jahr hatte es an ihrem Weihnachtsbaum gehangen. Die Flasche wanderte hin und her, ohne dass sie auch nur ein Wort darüber verloren hätten.
Als Sadie nach oben ins Schlafzimmer ging, lächelte sie.
37
Miranda kündigte sich schon von Weitem an. Sie hupte auf der ganzen Strecke vom Dorf bis zum Haus. Kurz darauf erklang ihre Stimme im Hof.
»Wo ist er? Wo ist der geheimnisvolle Fremde? Ich will ihn auf der Stelle sehen!«
Leo, Maggie, Gabriel, Juliet, Clementine und Eliza sprangen von den Küchenstühlen auf. Sie hatten alle seit dem frühen Morgen zusammengesessen. Trotz der unterschiedlich weiten Anreise waren sie alle im Abstand von zehn Minuten in Donegal eingetroffen.
Miranda hatte zuvor angerufen. Ihr Flug hatte Verspätung. »Und kein Wort zueinander, solange ich nicht da bin, verstanden?«, hatte sie gesagt. »Geht auf eure Zimmer und wartet. Ich komme, so schnell es geht.«
Juliet hatte Gabriel als Erste kennengelernt und ihn herzlich empfangen. »Du hast uns ganz schön verblüfft. Ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, dass ich das sage. Aber es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen. Und wenn du die nächsten Tage überstehst, dann überstehst du alles.«
Maggie hatte Gabriel nervös im Auge behalten, aber er war sehr viel entspannter als sie selbst, scherzte mit Juliet und ließ sich von Leo durch Haus und Garten führen. Juliet hatte das Haus wunderbar hergerichtet. Es war weihnachtlich geschmückt, mit einer kleinen Tanne im Eingang. Maggies Geschenke – zumindest die, die sie nach Donegal geschickt hatte – lagen in einem farbenfrohen Stapel darunter. Gabriel sah sich alles aufmerksam an. Er benahm sich seit der Ankunft in Belfast so – er stellte ständig Fragen und kommentierte alles. Sie hatten einen Umweg in die Stadt gemacht, um die Kameraausrüstung auszuleihen, die Leo – oder vielmehr sein zaubernder Concierge – von New York aus organisiert hatte.
Maggie hatte sich während der Fahrt wieder in die Tagebücher vertieft. Ihr Großvater hatte sie während des Flugs beobachtet und versucht, etwas aus ihren Reaktionen herauszulesen. Sie hatte ihm gesagt, dass sie erst dann mit ihm sprechen wollte, wenn sie alle neun Bücher gelesen hatte. Maggie war beinahe erleichtert, als sie in Glencolmcille ankamen und sie die Bücher verstecken musste. Seine Nervosität war ansteckend.
Clementine und Eliza waren als Nächste eingetroffen. Maggie hatte ihre Mutter lange und fest umarmt und ihr dann Gabriel vorgestellt, wobei sie so verlegen geworden war, als wäre er wirklich ihr Verlobter. Mit Mirandas Ankunft stieg die Aufregung noch. Noch mehr Neuigkeiten wurden ausgetauscht, Clementine sprach über die Antarktis, es wurde erklärt, wie toll alle aussähen und dass New York Maggie ganz offensichtlich guttat. Vor allem aber folgte Bemerkung auf Bemerkung über die überraschende Verlobung.
Irgendwie gelang es Leo, Gabriel und Maggie, das Theater durchzuziehen. Irgendwann begriff Maggie, dass sie die Frage öffentlicher Zurschaustellung von Gefühlen nicht mit Gabriel diskutiert hatte. Als sie im Wohnzimmer saßen, hätten sie nebeneinander sitzen müssen, Arm in Arm. Maggie fühlte sich zu befangen, um den ersten Schritt zu machen. Gabriel erriet ihre Gedanken. Er kam wie selbstverständlich zu ihr, setzte sich auf die Lehne und legte den Arm hinter den Sessel. Er zwinkerte Maggie zu. Sie zwinkerte zurück.
Clementine entging nichts. Bei der ersten Gelegenheit setzte sie sich zu ihrer Tochter.
Sie berührte Maggie sanft an der Wange. »Ist alles in Ordnung, Maggie, ganz ehrlich?«
Maggie nickte. »Ja, ehrlich. Ich bin froh, hier zu sein.«
»Nicht so froh wie ich.« Clementine senkte die Stimme. »Er wirkt unheimlich nett.«
»Das ist er. Ich mag ihn wirklich.« Es war schön, endlich einmal nicht lügen zu müssen.
Clementine lachte laut. »Na, das will ich ja wohl hoffen.«
Miranda beherrschte den Raum. Sie schillerte wie ein Filmstar und benahm sich, als hielte sie Audienz. Maggie warf Gabriel einen Blick zu. Er lächelte. Er hatte den Geschichten über Miranda mit Begeisterung gelauscht, und anscheinend begeisterte ihn die Wirklichkeit erst recht.
Miranda unterzog ihn einer übertriebenen Musterung. »Nun, die Berichte unserer Überwachungseinheit waren zutreffend. Du siehst wirklich gut aus.« Dann drohte sie ihm mit dem Zeigefinger. »So weit, so schön, junger Mann.
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