Die Toechter der Familie Faraday
Was dann?«
Maggie hatte so weit noch gar nicht gedacht. Sie wusste nicht einmal, ob Leo so weit gedacht hatte. Sie war bisher mit ganz anderen Dingen beschäftigt gewesen. »Ich schätze, dass er dann zu ihr fahren wird. Sobald ich Tessas Tagebücher gelesen habe und ihm sagen kann, worauf Sadie meiner Meinung nach gestoßen ist.«
»In deiner Familie treibt so mancher Geist sein Unwesen, oder?«
»Wie meinst du das?«
»Sadie. Tessa. Vielleicht habe ich mich ja geirrt. Nicht Leo ist die Sonne, sondern Tessa und Sadie. Um sie dreht sich alles.«
»Aber sie sind doch nicht hier.«
»Leo scheint das anders zu sehen.«
»Da täuschst du dich gewaltig.«
»Ich kann dich im keltischen Nebel nicht deutlich sehen, Maggie, aber ich meine gehört zu haben, wie sich deine Nackenhaare aufstellen.«
Er hatte recht. Sie konnte Kritik an ihrer Familie nicht gut vertragen. »Das muss der Jetlag sein. Ich reagiere wohl ein wenig überempfindlich. Aber ich liebe meine Familie. Und ich möchte, dass du sie auch magst.« Das tat sie wirklich. Es war ihr wichtig.
»Das tue ich ja auch. Aber ich bin Einzelkind, wie du weißt. Ich bin solche Menschenmengen nicht gewöhnt. Ich komme mir wie in der Familie des Däumlings vor. Viel zu viele Menschen.«
Sie lächelte. Sie war froh, dass sich die Stimmung besserte. »Das mit dem Autoschlüssel war mir ernst. Du ergreifst die Flucht, wann immer du willst.«
»So leicht wirst du mich nicht los.« Auch sein Ton war wieder heiter.
»Ich hoffe sehr, dass Sadie zurückkommt«, sagte er. »Aus Gründen der Dramatik wäre es mir natürlich am liebsten, wenn es während des Filmens passieren würde. Kannst du dir die Szene vorstellen, Maggie? Eine deiner Tanten spricht über Sadie, man hört ein Geräusch von draußen, Schwenk auf die Haustür, die Haustür geht auf, und da …«
»Steht Sadie, in Batikkleid und mit Dreadlocks? Tut mir leid, Gabriel, aber ich fürchte, das wird so nicht geschehen.«
»Du meinst, sie fährt in einem Rover vor und trägt einen Nadelstreifenanzug?«
»Vielleicht.« Maggie lächelte. »Wir sind schon unterhaltsame Studienobjekte, oder? Und ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass dich mein gerissener Großvater nach Irland verschleppt hat, damit du so tust, als wärst du in mich verliebt.« Sie hatte auf Widerspruch gehofft, doch Gabriel enttäuschte sie.
»Maggie, mach dir darüber keinen Kopf. Es ist doch nur eine einzige Woche, in der ich ein wenig Theater spielen muss. Und ich habe wirklich Spaß dabei. Selbst wenn mich deine Tante Miranda wie ein Falke beäugt. Ich habe den Eindruck, sie traut mir nicht ganz.«
»Sie ist nur besorgt um mich. Sie war damals bei mir in London, als das mit Angus zu Ende ging.«
»Ach ja, Angus. Angus die Tweedhose und Triefnase.« Angus hatte unter chronischem Schnupfen gelitten. »Habe ich dir das etwa erzählt?«
»Nein, Miranda. Clementine hat mir berichtet, dass du als Kind immer alles gezählt hast, Eliza hat mir von deiner Leidenschaft fürs Verkleiden und Juliet von deinen Noten an der Uni erzählt.«
»Ein Glück, dass das hier alles Theater ist, sonst wärst du ja völlig überfordert.«
»Ein Glück«, sagte er.
Sie erreichten die Mauer. Aus den Fenstern des Hauses schien das Licht warm und einladend. Gabriel nahm Maggies Hand, als sie die Stufen hinaufkletterte, und hielt sie, bis sie sicher auf der anderen Seite war. Seine Hand war warm, sein Griff stark. Maggie war froh, dass es fast dunkel war. Es hätte ihr nicht gefallen, wenn er gesehen hätte, dass ihr die Röte in die Wangen gestiegen war.
Maggie wurde erst spät am nächsten Morgen wach. Sie hörte von unten Geräusche. In der Küche spielte Musik, und es wurde gesprochen. Dann wurden Möbel verrückt. Jemand zischte: »Maggie schläft doch noch«, woraufhin Miranda oder Eliza sagte: »Dann wird es aber Zeit, dass sie aufsteht.«
Sie waren früh ins Bett gegangen, denn bis auf Juliet litten alle unter Jetlag. Juliet hatte sie zu ihren Zimmern gebracht und Maggie mit einem verschwörerischen Lächeln darauf hingewiesen, dass Gabriels Zimmer am Ende des Flurs lag. Maggie hatte sich wieder beruhigt und sich ihre Verliebtheit ausgeredet, so gut sie konnte. Sie hatte sich das Knistern nur eingebildet. Wenn Gabriel sie küssen wollte, hätte er während ihres Spaziergangs die perfekte Gelegenheit dazu gehabt. Doch er hatte sie verstreichen lassen. Sosehr sie ihn auch mochte, sie musste sich damit abfinden, dass das in seinen Augen bloß ein Job
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