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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Wohnzimmer auf Matratzen am Boden, und ihre Spielsachen waren überall verstreut. Sie war nicht imstande gewesen, diese aufzuheben. Kam Lucas nach Hause, bevor sie Kraft zum Aufräumen gefunden hatte, würden die Konsequenzen bestimmt hart werden. Aber sie war nicht mehr fähig, sich um so etwas zu kümmern.
    Was sie am meisten ängstigte, war, wenn sie Lucas in die Augen blickte und bemerkte, daß etwas Vitales aus ihnen verschwunden war. Etwas Menschliches, das sich verflüchtigt und etwas bedeutend Dunklerem und Gefährlicherem Platz gemacht hatte. Nichts war gefährlicher als ein Mensch, der nichts mehr zu verlieren hatte.
    Einen Augenblick lang erwog sie, einen Versuch zu machen, aus der Wohnung zu kommen und Hilfe herbeizurufen. Beim Kindergarten vorbeizugehen, Erica anzurufen und sie zu bitten, sie solle sie alle drei holen. Oder die Polizei anzurufen. Aber es blieb bei dem Gedanken. Sie wußte nie, wann Lucas nach Hause kam, und wenn er im selben Augenblick hier eintraf, in dem sie versuchte, ihrem Gefängnis zu entkommen, würde sie nie mehr die Chance haben zu fliehen oder überhaupt zu leben.
    Statt dessen saß sie im Sessel am Fenster und schaute auf den Hof hinunter. Langsam ließ sie die Dämmerung über ihr Leben hereinbrechen.
     
    Fjällbacka 1925
     
    Das Geräusch des Vorschlaghammers, der auf den Keil einschlug, wurde begleitet von seinem Pfeifen. Seit die Jungen geboren waren, hatte er seine Arbeitsfreude zurückgewonnen, und jeden Tag ging er mit der Gewißheit in den Steinbruch, daß er jemanden hatte, für den sich die Arbeit lohnte. Sie waren alles, wovon er je geträumt hatte. Sie waren erst ein halbes Jahr alt, aber schon bestimmten sie seine ganze Welt. Das Bild ihrer kleinen, kahlen Köpfe und ihres zahnlosen Lächelns tauchte bei der Arbeit ständig vor seinem inneren Auge auf, und jedesmal war seine Brust von Musik erfüllt, und ersehnte sich nach dem Abend, um zu ihnen heimgehen zu können.
    Der Gedanke an die Gattin brachte seine ansonsten so taktfesten Schläge auf den Granit einen Augenblick aus dem Rhythmus. Sie schien noch immer keine Bindung zu den Kindern zu haben, obgleich bereits viel Zeit vergangen war, seit sie im Kindbett fast dahingerafft worden war. Der Doktor hatte gesagt, daß es bei manchen Frauen lange dauerte, bis sie sich von einem solchen Erlebnis erholten, und daß in diesen Fällen Monate vergehen konnten, bevor sie das Kind oder die Kinder annahmen. Aber jetzt war bereits ein halbes Jahr ins Land gegangen. Und Anders hatte alles, was in seiner Macht stand, getan, um Agnes die Bürde zu erleichtern. Trotz seiner langen Arbeitstage hatte er sich der Kinder angenommen, wenn sie nachts wach wurden, und da Agnes sich weigerte, ihnen die Brust zu geben, konnte er sich da auch nützlich machen. Und er tat es mit Freude. Er fütterte sie, windelte sie und spielte mit ihnen. Aber da er zugleich viele lange Stunden im Steinbruch verbringen mußte, war Agnes schließlich gezwungen, sich auch um sie zu kümmern. Das beunruhigte ihn oft. Wenn er heimkam, geschah es nicht selten, daß ihre Windeln am Tag kaum gewechselt waren und sie vor Hunger verzweifelt weinten. Er hatte versucht, mit ihr über die Sache zu reden, aber sie drehte nur den Kopf weg und weigerte sich, ihm zuzuhören. Am Ende hatte er bei Janssons vorbeigeschaut und Karin, Janssons Frau, gefragt, ob sie möglicherweise ab und zu nach nebenan gehen und nachsehen könnte, wie es den Kindern bei ihm zu Hause erging. Sie hatte ihn forschend angesehen und dann versprochen, es zu tun. Dafür war ihr Anders ewig dankbar. Es war ja nicht so, daß sie selbst nicht genug zu tun hätte. Die acht Kinder nahmen sicher fast all ihre Zeit in Anspruch, dennoch versprach sie ohne Zögern, so oft sie konnte auch nach seinen beiden zu sehen. Mit diesem Versprechen war ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Zuweilen meinte er, ein seltsames Blitzen in Agnes’ Augen zu sehen, aber das verschwand so rasch, daß er sich einreden konnte, alles sei nur Einbildung. Aber manchmal konnte er diesen Blick vor sich sehen, wenn er mitten in der Arbeit steckte, und dann mußte er sich zurückhalten, um nicht den Hammer hinzuwerfen und nach Hause zu rennen, nur um sich zu vergewissern, daß die Jungen rosig und gesund auf dem Boden saßen und spielten.
    In letzter Zeit hatte er sich noch mehr Arbeit als gewöhnlich aufgeladen. Irgendwie mußte er eine Möglichkeit finden, daß Agnes mit dem Leben zufriedener wurde, sonst stürzte sie noch die

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