Die Toechter der Kaelte
Hause.«
Lilian runzelte die Brauen. »Ja, zu Hause ist er nicht mehr als eine Viertelstunde gewesen. Er schaute kurz zu Stig hoch und fuhr dann wieder. Und ich war überzeugt, er wolle zur Arbeit zurück.«
Patrik und Martin wechselten einen Blick. Sie hatten ihre eigene Theorie, wohin der trauernde Vater verschwunden war.
»Das hier wird wohl ein paar Stunden dauern.« Der Leiter der Spurensicherung steckte den Kopf durch die Küchentür. »Ihr bekommt die Ergebnisse, sobald wir fertig sind.«
Patrik und Martin erhoben sich mit einem etwas flauen Gefühl und nickten Charlotte und Lilian unbeholfen zu. »Ja, dann werden wir wohl losziehen. Und sollte euch noch etwas einfallen in Bezug auf die Asche, dann wißt ihr ja, wo wir zu finden sind.«
Bleich im Gesicht, nickte Charlotte. Lilian hinten an der Spüle tat, als sei sie taub, und würdigte sie keines Blickes.
Schweigend verließen die beiden das Haus und gingen zum Auto.
»Könntest du mich nach Hause fahren?« fragte Patrik.
»Aber dein Auto steht doch beim Revier. Brauchst du es am Wochenende nicht?«
»Ich verkrafte es einfach nicht, jetzt dorthin zurückzufahren. Und am Samstag oder Sonntag wollte ich ohnehin ein paar Stunden arbeiten, da kann ich ja den Bus nehmen und mit dem Auto nach Hause fahren.«
»Ich dachte, du hast Erica versprochen, das ganze Wochenende freizunehmen«, sagte Martin vorsichtig.
Patrik verzog das Gesicht. »Ja, ich weiß, aber ich hatte nicht unbedingt damit gerechnet, daß wir eine Mordermittlung am Hals haben würden.«
»Ich arbeite diese Tage ja ohnehin, sag also Bescheid, wenn ich was tun kann.«
»Das ist nett, aber ich habe das Gefühl, ich muß alles noch mal in Ruhe durchgehen.«
»Ja, Hauptsache, du weißt, was du tust«, sagte Martin und stieg ins Auto. Patrik nahm auf dem Beifahrersitz Platz und war sich dessen gar nicht so sicher.
Endlich würde sie die Schwiegermutter loswerden. Erica konnte kaum glauben, daß es wahr war. Alle Ermahnungen, alle neunmalklugen Ratschläge und versteckten Vorwürfe hatten ihre Geduldsreserven total aufgebraucht, und sie zählte die Minuten, bis Kristina sich in ihren kleinen Ford Escort setzen und nach Hause fahren würde. Hatte sie als Mutter schon ein schlechtes Selbstvertrauen, bevor die Schwiegermutter gekommen war, so stand es jetzt damit noch viel schlimmer. Nichts, was sie tat, war anscheinend richtig. Sie konnte Maja nicht auf die richtige Weise kleiden, gab ihr nicht auf die richtige Weise zu trinken, sie war zu unsanft, sie war zu linkisch, sie war zu faul, sie sollte sich mehr ausruhen. Ihre Mängel nahmen kein Ende, und als sie jetzt mit der Tochter auf dem Schoß da saß, hatte sie das Gefühl, das Handtuch auch gleich werfen zu können. Sie würde nie damit klarkommen. In den Nächten träumte sie, daß sie Maja Patrik überließ und weit wegfuhr. Weit, weit weg. Irgendwohin, wo es ruhig und friedlich war, ohne Kindergeschrei, Verantwortung und Forderungen. Dort konnte sie sich zusammenkauern, konnte klein sein, sich umsorgen lassen.
Zugleich gab es da ein konkurrierendes Gefühl, das sie genau in die entgegengesetzte Richtung steuerte. Ein Beschützerinstinkt und die Gewißheit, daß sie dieses Kind in ihren Armen nie verlassen konnte. Es war genauso undenkbar, als wollte man sich ein Bein oder einen Arm abhacken. Sie waren jetzt eins und mußten das hier zusammen durchstehen. Dennoch hatte sie über den Vorschlag nachzudenken begonnen, mit dem Charlotte ihr immer zugesetzt hatte, bevor das Schreckliche mit Sara passiert war. Daß sie mit jemandem reden sollte, jemandem, der verstand, was sie empfand. Vielleicht war es nicht in Ordnung, sich so zu fühlen. Vielleicht war es nicht normal.
Was sie veranlaßt hatte, über diesen Vorschlag überhaupt nachzudenken, war Saras Tod. Der hatte ihre eigene Finsternis ins Verhältnis gesetzt, hatte ihr klargemacht, daß diese sich im Unterschied zu Charlottes vertreiben ließ. Charlotte mußte den Rest ihres Lebens mit dem Kummer leben. Sie selbst konnte vielleicht etwas an ihrer Situation ändern. Doch bevor sie jemanden aufsuchte, würde sie Anna Wahlgrens Methoden ausprobieren. Konnte sie Maja dazu bringen, an einer anderen Stelle als nur auf ihr zu schlafen, wäre schon viel gewonnen. Sie mußte sich nur erst ein bißchen in den Hintern treten, bevor sie die Sache in Angriff nahm. Und die Schwiegermutter aus dem Haus haben.
Kristina kam ins Wohnzimmer und betrachtete Erica und Maja mit bekümmerter Miene.
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