Die Toechter der Kaelte
stellten - nicht zuletzt, seit sie Liam hatten -, lebte er weiter in seiner kleinen Seifenblase, und nun war ihr, als müßte sie zwei Kinder aufziehen. Auch zur Miete und zum Essen trug er nicht gerade viel bei. Bekäme sie jetzt, wo sie zu Hause war, nicht das Elterngeld, hätten sie wohl verhungern müssen. Markus gelang es zwar immer, sich einen Job an Land zu ziehen, also das war nicht das Problem. Nein, das Problem war, daß kein Job seine Erwartungen erfüllte oder seinen Forderungen, daß alles Spaß machen müsse, entsprach, also hörte er meist schon ein paar Wochen später wieder auf. Dann hing er wieder eine Weile daheim herum und lebte von ihr, bevor es ihm das nächste Mal glückte, sich bei einem neuen Job einzukratzen. Er schlief auch den größten Teil des Tages, also half er kaum bei der Hausarbeit oder was Liam anbetraf. Statt dessen war er nächtelang auf und spielte seine Computerspiele.
Ehrlich gesagt, hatte sie das alles über. Sie war zwanzig Jahre alt und fühlte sich wie vierzig. Ständig hörte sie sich selbst meckern und maulen, und zu ihrem Entsetzen merkte sie, daß sie manchmal genau wie ihre Mutter klang.
Sie seufzte, als sie den Gang hinunterlief. Sie schaute auf den Zettel. Nägel und einen Teil der anderen Dinge, die er benötigte, fand sie ziemlich schnell, aber bei den Schrauben mußte sie um Hilfe bitten. Als Mia endlich fertig war und bei Berit an der Kasse bezahlen wollte, schaute sie auf die Uhr. Eine Viertelstunde war im Nu vergangen, während sie die Liste abgearbeitet hatte, und sie spürte, wie ihr der Schweiß in den Achselhöhlen ausbrach. Wenn bloß Liam nicht aufgewacht war. Sie eilte mit den Tüten zum Ausgang, und sobald sie die Außentür geöffnet hatte, hörte sie, wie befürchtet, sein durchdringendes Geschrei. Aber es war anders als sonst, wenn er wütend, hungrig oder traurig war. Das hier war ein Schreien voller Panik, und es schallte gellend von der Bergwand zurück. Der Mutterinstinkt sagte ihr, daß etwas nicht stimmte, und sie ließ die Beutel fallen und rannte zum Wagen. Als sie zu dem Kind hineinsah, setzte ihr Herz einen Schlag aus, und sie versuchte zu verstehen, was sie da eigentlich sah. Liams Gesicht war schwarz von etwas, das wie Asche oder Ruß wirkte. In seinem offenen, schreienden Mund sah sie, daß sich auch dort Asche angesammelt hatte, und er steckte immer wieder die Zunge heraus bei dem Versuch, das schreckliche Zeug wegzubekommen. Auch die Innenseite des Wagens war mit der schwarzen Substanz bedeckt, und als Mia ihren von Panik ergriffenen Sohn hochnahm und ihn an sich drückte, saß das Zeug überall auf ihrem Mantel. Noch immer konnte ihr Gehirn keine vernünftige Theorie entwickeln, was da passiert war, doch mit Liam in den Armen rannte sie in den Laden zurück. Sie wußte lediglich, daß jemand etwas mit ihrem Sohn gemacht hatte. Während man ihr mit einem Anruf half, versuchte sie vergeblich, ihm die Asche mit Hilfe einer Serviette aus dem Mund zu wischen.
Es mußte ein Geistesgestörter sein, der so etwas tat.
Gegen zwei hatten sie alle Angaben erhalten, die sie benötigten. Annika hatte die Grobarbeit geleistet, und Patrik dankte ihr leise, als er die Seiten einsammelte, die man ihnen in einem nicht abreißen wollenden Strom zugefaxt hatte. Er klopfte bei Martin an und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten.
»Grüß dich«, sagte Martin, wobei die Begrüßungsformel wie eine Frage klang. Er wußte, woran Patrik und Annika gesessen hatten, und er brauchte nur Patriks Gesicht zu sehen, um zu begreifen, daß die Arbeit Erfolg gehabt hatte.
Patrik antwortete nicht auf den Gruß, sondern setzte sich auf den Stuhl vor Martins Schreibtisch und legte die Faxmitteilungen kommentarlos auf die Tischplatte.
»Ich gehe davon aus, daß ihr etwas gefunden habt«, sagte Martin und streckte die Hand nach dem Papierstapel aus.
»Ja, nachdem wir endlich die Erlaubnis erwirkt hatten, uns die Sache anzusehen, war es, als öffnete man die Büchse der Pandora. Da ist jede Menge zu finden. Lies selbst.«
Patrik lehnte sich auf dem Stuhl zurück, um zu warten, bis Martin die Ausdrucke überflogen hatte.
»Sieht nicht besonders gut aus«, sagte Martin nach einer Weile.
»Nein, tut es nicht«, erwiderte Patrik und schüttelte den Kopf. »Insgesamt dreizehnmal ist Albin in den Gesundheitsakten mit irgendeiner Art von Verletzung registriert. Knochenbrüche, Schnittwunden, Verbrennungen und Gott weiß was alles. Es ist, als lese man ein Lehrbuch
Weitere Kostenlose Bücher