Die Toechter der Kaelte
mußte es sein. Die Alternative war zu schrecklich, als daß er sie sich auch nur vorzustellen vermochte. Es mußte Liebe gewesen sein.
Er wußte, daß er Morgan nie ein besonders guter Vater gewesen war. Es war zu schwer. Schon von Anfang an war es schwer gewesen, den Sohn zu lieben, und er hatte Monica oft bewundert, weil sie es schaffte, diesen sperrigen, kantigen Jungen anzunehmen, der der ihre war. Ein weiterer Gedanke meldete sich. Vielleicht würden sie es ja jetzt so hinstellen, als hätte er auch ihn angefaßt? Der Gedanke empörte ihn. Morgan war doch sein Sohn, sein eigen Fleisch und Blut. Er wußte, daß sie genau das sagen würden. Aber das war nur ein weiterer Beweis dafür, wie beschränkt und engstirnig sie waren. Das war doch überhaupt nicht dasselbe. Die Liebe zwischen Vater und Sohn und die Liebe zwischen ihm und den anderen. Das waren zwei völlig verschiedene Dinge.
Aber er hatte Morgan dennoch geliebt. Er wußte, daß Monica das nicht glaubte, aber es war so gewesen. Er hatte nur nicht gewußt, wie er zu ihm vordringen sollte. Alle Versuche, die er unternahm, waren abgewehrt worden, und manchmal hatte er sich gefragt, ob Monica seine Bemühungen, den Sohn zu erreichen, vielleicht auf irgendeine subtile Weise hintertrieb. Sie hatte ihn für sich haben wollen. Wollte die einzige sein, an die er sich wandte. Kaj wurde erfolgreich ausgeschlossen, und obwohl sie ihn scholt und mit Vorwürfen belegte, weil er sich nicht für den Sohn engagierte, so wußte er doch, daß sie es insgeheim nicht anders haben wollte. Und jetzt war es zu spät, etwas daran zu ändern.
In dem kalten, flimmernden Licht der Neonröhren krümmte er sich auf dem Boden zusammen.
Die Gerichtsmediziner im Fernsehen hatten innerhalb von fünfundvierzig Minuten drei Fälle gelöst. Bei ihnen erschien die Sache so einfach, aber Patrik war sich voll bewußt, daß es in Wahrheit ganz anders war. Er hoffte jedoch, daß Pedersen morgen mit einem Bescheid zu der Asche auf Liams Pullover und Majas Strampler kam.
Ein neuer Fall wurde präsentiert. Patrik, der auf dem Sofa lümmelte, schaute träge auf den Bildschirm und fühlte, wie sich der Schlaf näher schlich. Aber langsam drangen die Details in sein Bewußtsein, und aufmerksam setzte er sich gerade hin. Der Fall hatte sich vor vielen Jahren in den USA abgespielt, aber die Umstände wirkten beunruhigend bekannt. Er beeilte sich, am Videogerät rasch die Aufnahmetaste zu drücken, und hoffte, daß er nicht die letzte Folge irgendeiner von Ericas Doku-Soaps überspielte. In diesem Fall würde der Haussegen schief hängen und seine liebe Lebensgefährtin damit drohen, zur rostigen Schere zu greifen.
Der Gerichtsmediziner, der die Analysen erläuterte, sprach lange und umständlich. Er zeigte Diagramme und Bilder, die den Verlauf so deutlich wie möglich erklären sollten, und Patrik hatte keine Schwierigkeiten, ihm zu folgen. Ein Gedanke meldete sich in seinem Kopf, und er kontrollierte unruhig, ob auf dem Display wirklich das Aufnahmesymbol leuchtete. Die Sache hier mußte er sich noch ein paarmal anschauen.
Nach dreimaligem Abspielen fühlte er sich dann so sicher, wie er überhaupt sein konnte. Dennoch brauchte er ein bißchen Hilfe, um die Erinnerung aufzufrischen. Voller Eifer und sich der Dringlichkeit des Anliegens voll bewußt, eilte er leise zu Erica ins Schlafzimmer. Sie hatte Maja neben sich liegen, also vermutete er, daß die Tochter eine kleine Belohnung erhalten hatte, weil sie am Tag so tüchtig im Wagen eingeschlafen war.
»Erica«, flüsterte er und rüttelte sie leicht an der Schulter. Er hatte eine Heidenangst, Maja zu wecken, aber er mußte mit Erica reden.
»Ohh …«, war ihre ganze Reaktion, und sie machte keine Anstalten, sich zu bewegen.
»Erica, du mußt aufwachen.«
Diesmal hatte er mehr Erfolg. Sie zuckte zusammen, schaute sich verwirrt um und sagte: »Was, was ist denn los? Ist Maja wach? Schreit sie? Ich hole sie am besten.« Erica setzte sich auf und wollte aus dem Bett steigen.
»Nein, nein«, sagte Patrik und drückte sie vorsichtig in die Kissen. »Schhh, Maja schläft wie ein Murmeltier.« Er zeigte auf das kleine Bündel, das sich jetzt unruhig bewegte.
»Warum weckst du mich dann?« fragte Erica verstimmt. »Wird Maja wach, bringe ich dich um.«
»Ich muß dich etwas fragen. Und das kann nicht warten.«
Er faßte schnell zusammen, was er gerade gelernt hatte, und stellte die Frage, auf die er eine Antwort brauchte. Nach einer Weile
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