Die Toechter der Kaelte
verblüfften Schweigens gab sie ihm die. Er sagte, sie solle jetzt weiterschlafen, küßte sie auf die Wange und ging rasch wieder ins Erdgeschoß. Dort wählte er mit verbissener Miene eine Telefonnummer, die er im Telefonbuch nachgeschlagen hatte. Jede Minute war jetzt wichtig.
Göteborg 1958
Irgend etwas stimmte nicht. Sie hatte es viel zu lange so laufen lassen. Anderthalb Jahre waren vergangen, seit Äke gestorben war, und Per-Erik war ihren Aufforderungen mit immer vageren Vorwänden begegnet. In letzter Zeit hatte er sich kaum noch um eine Antwort bemüht, und die Anrufe, die sie ins Hotel Eggers riefen, waren mit immer größerem Abstand erfolgt. Inzwischen haßte sie diesen Ort. Die weichen Hotellaken auf der Haut und die unpersönliche Einrichtung lösten in ihr nur noch Widerwillen aus. Sie wollte etwas anderes haben. Sie verdiente etwas anderes. Sie verdiente es, in seine große Villa einzuziehen, Gastgeberin seiner Feste zu sein, Respekt und Ansehen und eine Erwähnung in den Gesellschaftsspalten zu finden. Was glaubte er eigentlich, wer sie warf Agnes zitterte vor Zorn, als sie jetzt in ihrem Wagen saß. Durch das Fenster auf der Fahrerseite sah sie Per-Eriks große weiße Klinkervilla, und hinter den Gardinen bemerkte sie einen Schatten, der sich durch die Räume bewegte. Sein Volvo parkte nicht auf der Auffahrt. Es war Dienstag vormittag, also war er mit großer Sicherheit im Büro, und Elisabeth war allein zu Hause und widmete sich wohl der Hausarbeit: faltete Tischtücher, putzte Silber und beschäftigte sich mit anderen tristen Dingen, zu denen sich Agnes nie herabgelassen hatte. Bestimmt ahnte sie nicht einmal, daß ihr Leben im Begriff stand, in Schutt und Asche zu zerfallen.
Agnes kam nicht einmal der Gedanke, daß Per-Eriks immer ausweichenderes Verhalten mit einem erkaltenden Enthusiasmus für sie zusammenhängen könnte. Nein, es mußte Elisabeths Schuld sein, daß er noch immer nicht als freier Mann zu ihr gekommen war. Sie tat bestimmt ganz hilflos, gab sich kläglich und unselbständig, nur um ihn an sich zu binden. Aber Agnes durchschaute das Spiel, selbst wenn Per-Erik sich täuschen ließ. Und wenn er nicht Manns genug war, seine Frau mit der Sache zu konfrontieren, so hatte Agnes keine Skrupel. Sie stieg mit entschiedenen Bewegungen aus dem Auto, schwang den Pelz in der Novemberkälte dichter um sich und ging mit raschen Schritten zur Haustür hinauf.
Elisabeth öffnete nach zweimaligem Klingeln und lächelte erfreut, was Agnes vor Verachtung erschauern ließ. Sie hatte den dringenden Wunsch, ihr dieses Lächeln aus dem Gesicht zu wischen.
»Ja, Agnes! Wie nett, daß du mich besuchst.«
Agnes sah, daß Elisabeth meinte, was sie sagte, während ihre Miene zugleich Verwunderung zeigte. Sicher war Agnes schon früher zu Gast in ihrem Haus gewesen, doch nur im Zusammenhang mit Einladungen und Pesten. Es war nie vorgekommen, daß sie unangemeldet vorbeischaute.
»Komm rein«, sagte Elisabeth. »Aber du mußt entschuldigen, wenn es hier etwas unordentlich ist. Hätte ich gewußt, daß du kommst, hätte ich etwas aufgeräumt.«
Agnes trat in die Diele und suchte vergeblich nach dem Durcheinander, das Elisabeth erwähnt hatte.
»Setz dich, ich schenke uns ein bißchen Kaffee ein«, sagte Elisabeth höflich, und bevor Agnes sie hindern konnte, war sie unterwegs zur Küche.
Agnes hatte nicht vorgehabt, mit Per-Eriks Ehefrau Kaffeekränzchen zu halten, sondern wollte die Angelegenheit, wegen der sie gekommen war, so schnell wie möglich hinter sich bringen. Widerstrebend hing sie ihren Pelz auf und nahm auf dem Sofa im Wohnzimmer Platz. Kaum hatte sie sich gesetzt, erschien Elisabeth schon mit zwei Kaffeetassen und einigen dicken Scheiben Napfkuchen auf einem Tablett, das sie auf den dunklen, blankpolierten Couchtisch stellte.
Elisabeth setzte sich in den Sessel neben Agnes. »Bitte sehr, nimm ein Stück Kuchen. Ich habe ihn heute gebacken.«
Agnes schaute mit Widerwillen auf den butter- und zuckerreichen Kuchen und sagte: »Ich nehme wohl nur eine Tasse Kaffee, danke«, und streckte die Hand nach einer der Porzellantassen aus. Sie nippte an dem Getränk. Stark und gut.
»Ja, du mußt ja auf deine Figur achten«, erwiderte Elisabeth lachend und griff nach einem Stück Napfkuchen. »Ich selbst habe diesen Kampf verloren, als ich die Kinder bekam«, sagte sie und deutete mit dem Kopf auf ein Foto ihrer drei Kinder mit Per-Erik, jetzt sämtlich erwachsen und aus dem Haus. Agnes
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