Die Toechter der Kaelte
was für ein Glück es sei, daß sie gekommen war, sonst würde Maja in all dem Staub hier bald Asthma entwickeln, und zu ihrer Zeit hätte man weiß Gott nicht tagelang vor dem Fernseher gesessen, sondern es geschafft, sich um sein Baby zu kümmern, auch noch um eine Reihe Geschwister; man hätte geputzt und außerdem dafür gesorgt, daß ein hausgemachtes Gericht auf dem Tisch stand, wenn der Mann von der Arbeit kam. Zum Glück war Erica allzu matt gewesen, um sich über die Kommentare der Schwiegermutter groß aufzuregen. Hingegen war sie dankbar gewesen für die Minuten, die sie für sich bekam, wenn Kristina ihr Enkelkind stolz spazierenfuhr oder half, sie zu baden und zu windeln.
Erica schaute auf die Uhr. Noch eine Stunde, bis Kristina hier hereinrauschte, und der Abwasch war noch immer nicht geschafft. Und Staub wischen müßte sie auch. Sie schielte zur Tochter hinunter. Maja war beim Geräusch des Staubsaugers zufrieden in ihrem Tragesitz eingeschlummert, und Erica überlegte, ob das vielleicht auch funktionierte, wenn sie im Bett einschlafen sollte. Bisher waren sämtliche diesbezügliche Versuche von lautem Protestgeschrei begleitet gewesen, aber es hieß ja, daß Kinder gern bei monotonen Geräuschen, wie dem des Staubsaugers oder des Wäschetrockners, in Schlaf fielen. Es war jedenfalls einen Versuch wert. Zur Zeit brachte man die Tochter lediglich zum Einschlafen, wenn man sie vor dem Bauch oder an der Brust hatte, und das war langsam unvertretbar. Vielleicht sollte sie die Methoden ausprobieren, von denen sie in dem Buch von Anna Wahlgren, der Mutter von neun Kindern, gelesen hatte, dem Prachtwerk über Kindererziehung. Sie hatte es studiert, bevor Maja auf die Welt gekommen war, und obendrein einen ganzen Packen anderer Bücher, aber als das Baby dann vor ihr lag, war all das angelesene theoretische Wissen wie weggeblasen. Statt dessen praktizierten sie mit Maja eine Art »Minute für Minute«-Überlebensphilosophie, und Erica spürte, daß es vielleicht an der Zeit war, erneut die Kontrolle zu übernehmen. Es konnte nicht angehen, daß ein Kind von zwei Monaten das ganze Haus in dieser Weise, wie sie es jetzt tat, regierte. Wenn Erica mit einer solchen Situation hätte leben können, wäre das ja noch vertretbar, aber sie spürte schließlich, daß sie immer tiefer in der Dunkelheit versank.
Ein kurzes Klopfen an der Tür unterbrach ihre Gedanken. Entweder war die Stunde rekordschnell vergangen, oder die Schwiegermutter kam eine Stunde zu früh. Letzteres war wahrscheinlicher, und Erica blickte sich verzweifelt in den unteren Räumen um. Nun ja, da war nicht viel zu machen. Man konnte nur ein Lächeln aufsetzen und die Schwiegermutter hereinlassen. Sie öffnete die Tür.
»Ja, aber meine Liebe, du kannst doch hier mit Maja nicht in diesem Zug stehen! Sie wird sich noch eine Erkältung holen, das begreifst du doch wohl?«
Erica Schloß die Augen und zählte bis zehn.
Patrik hoffte, der Besuch seiner Mutter würde gutgehen. Er wußte, sie war manchmal ein bißchen … überwältigend, vielleicht konnte man es so beschreiben, und selbst wenn Erica im Normalfall keine Probleme hatte, mit ihr klarzukommen, war sie, seit es Maja gab, schließlich nicht ganz sie selbst. Gleichzeitig brauchte sie Entlastung, und da er ihr die nicht geben konnte, mußten sie auf die vorhandenen Möglichkeiten zurückgreifen. Wieder einmal fragte er sich, ob er nicht jemanden suchen sollte, mit dem Erica reden konnte, jemanden Professionelles. Aber wo sollte er sich da hinwenden? Nein, das beste war vermutlich, einfach abzuwarten. Es ging bestimmt vorüber, sobald sie bei der Sache ein bißchen Routine hatten. Aber er konnte nicht verhindern, daß ein leiser Argwohn auftauchte; war er nicht doch zu leichtfertig und behäbig?
Er zwang sich, die Gedanken an zu Hause zu verscheuchen, und kehrte zu den vor ihm liegenden Aufzeichnungen zurück. Er hatte alle zur Besprechung um neun in sein Zimmer gebeten, in fünf Minuten war es soweit. Wie er sich schon gedacht hatte, war Mellberg ohne Protest darauf eingegangen, daß die anderen Mitarbeiter einbezogen wurden, er schien es ebenfalls für selbstverständlich zu halten. Alles andere wäre auch idiotisch gewesen, selbst mit Meilbergs Maß gemessen. Wie sollten sie zu zweit, Ernst und er, eine Mordermittlung führen?
Als erster erschien Martin, der auf dem einzigen Besucherstuhl im Zimmer Platz nahm. Die anderen würden ihre eigenen Stühle mitbringen müssen.
»Wie
Weitere Kostenlose Bücher