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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Wie viele Male war ihr in den vergangenen zwei Monaten doch der gleiche Anblick begegnet. Der Gedanke weckte aber auch Erinnerungen an Sara. Bei ihrem letzten Besuch in diesem Haus hatte Sara sie begleitet. Rein verstandesgemäß war ihr klar, daß es erst vergangenen Sonntag gewesen war, dennoch fiel es ihr schwer, diese Tatsache zu verstehen. Vor ihrem inneren Blick sah sie Sara auf dem weißen Sofa herumhopsen, das lange rote Haar flog ihr ums Gesicht. Sie hatte das Kind ermahnt, erinnerte sie sich. Ihr mit Nachdruck gesagt, sie solle damit aufhören. Wie lächerlich ihr das jetzt vorkam. Was war schon dabei, daß das Kind ein bißchen zwischen den Kissen sprang? Das Bild ließ sie schwanken, und Erica kam rasch auf die Beine und half ihr, sich in den nächsten Sessel zu setzen. Maja schrie empört, als man ihr die Brust so plötzlich entriß, aber Erica ignorierte die Proteste ihrer Tochter und setzte sie in den Babystuhl.
    In Ericas Umarmung wagte Charlotte die Frage zu formulieren, die in ihrem Unterbewußtsein rumorte, seit die Polizei am Montag die Todesnachricht überbracht hatte. Sie sagte: »Warum konnte ich Niclas nicht erreichen?«
     
    Strömstad 1924
     
    Anders hatte die Arbeit an dem Sockel soeben beendet, als der Werkmeister aus dem Steinbruch nach ihm rief. Er seufzte und runzelte die Stirn, es gefiel ihm nicht, mitten in der Konzentration gestört zu werden. Aber wie gewöhnlich hatte man sich zu fügen. Vorsichtig legte er die Werkzeuge in die Kiste neben dem Granitblock und ging, um zu hören, was der Meister wollte.
    Der dicke Mann zwirbelte mit den Fingern nervös seinen Schnurrbart. »Was hast du jetzt verzapft, Andersson?« sagte er, halb im Scherz, halb bekümmert.
    »Ich? Wieso?« antwortete Anders und schaute den Mann verblüfft an, während er die Arbeitshandschuhe von den Fingern zog.
    »Man hat aus dem Büro angerufen. Du sollst hinkommen. Auf der Stelle.«
    Verdammt, fluchte Anders im stillen. Sollte jetzt, im letzten Augenblick, etwas an der Statue geändert werden? Diese Architekten oder »Künstler« oder wie sie sich sonst nannten hatten keine Ahnung, was sie anrichteten, wenn sie in ihrer Kammer saßen, die Skizzen änderten und dann erwarteten, daß der Steinmetz sie ebenso leicht am Stein vornahm. Sie verstanden nicht, daß er von Anfang an die Richtung beim Zerteilen wählte und die Stellen, an denen er zuschlagen würde, von der ursprünglichen Zeichnung aus anpaßte. Eine Änderung der Skizze veränderte seine ganze Ausgangssituation und konnte schlimmstenfalls dazu führen, daß der Stein zersprang und die ganze Arbeit vergeblich war.
    Anders wußte aber auch, daß es keinen Sinn hatte zu protestieren. Der Auftraggeber bestimmte, er war nur ein gesichtsloser Sklave, von dem man die Erledigung jener harten Arbeit erwartete, die derjenige, der die Statue entworfen hatte, selbst nicht ausführen konnte oder wollte.
    »Ja, dann gehe ich da wohl hin und höre, was los ist«, sagte Anders seufzend.
    »Es muß ja um keine größere Änderung gehen«, sagte der Meister, der genau wußte, was Anders befürchtete, und ausnahmsweise mal Anteilnahme zeigte.
    »Ja, wir werden sehen«, antwortete Anders und trottete zur Straße hinauf.
    Kurze Zeit später klopfte er ungelenk an die Tür des Büros und trat ein. Er säuberte die Schuhe, so gut es ging, aber sah dann ein, daß es keinen großen Unterschied machte, da seine Kleidung übersät war mit Gesteinsstaub und Splittern und Gesicht und Hände völlig schmutzig waren. Doch schließlich wollte man ihn umgehend sehen, also mußten sie ihn nehmen, wie er war. Erfolgte dem Mann, der ihn ins Zimmer des Direktors wies.
    Ein flüchtiger Blick durch den Raum ließ sein Herz im Leibe sinken. Er verstand sofort, daß es nicht um die Statue ging, sondern bedeutend ernstere Fragen verhandelt würden.
    Nur drei Personen befanden sich im Raum. Der Direktor saß hinter seinem Schreibtisch, und seine ganze Erscheinung drückte verhaltenen Zorn aus. In einer Ecke saß Agnes und starrte zu Boden. Und vor dem Schreibtisch saß ein ihm unbekannter Mann und musterte ihn mit kaum verhohlener Neugier.
    Unsicher, wie er sich verhalten sollte, ging Anders ein, zwei Schritte ins Zimmer und nahm dann eine Haltung ein, die fast an Strammstehen erinnerte. Was auch immer jetzt kam, er würde der Sache wie ein Mann begegnen. Und früher oder später wären sie ohnehin hier gelandet, er wünschte nur, er hätte die Gelegenheit selbst wählen dürfen.
    Er suchte

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