Die Toechter der Kaelte
Nachbar Gründe hat, um Ihrer Familie übel mitzuspielen.«
Ein langer Seufzer entfuhr Stig. »Ja, ich habe nie begriffen, was das mit den beiden ist, aber die Streitigkeiten fingen schon an, bevor ich ins Bild kam, bevor also Lennart starb. Um ganz ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wer den ersten Stein geworfen hat, und ich wage wohl zu behaupten, daß Lilian genauso tüchtig wie Kaj darin ist, die Fehde in Gang zu halten. Ich habe versucht, mich, so gut es ging, herauszuhalten, aber das ist nicht ganz leicht.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich verstehe wirklich nicht, warum die beiden sich so aufführen. Ich kenne meine Frau schließlich als warmherzige, mitfühlende Person, aber was Kaj und seine Familie anbelangt, so scheint es da einen blinden Fleck zu geben. Wissen Sie, manchmal glaube ich, daß alle beide die Sache genießen. Daß sie für diesen Zank leben. Aber das klingt natürlich absurd. Warum sollte sich jemand freiwillig so aufführen, wie sie es tun, Rechtsstreitigkeiten und all das Inbegriffen? Jede Menge Geld hat es uns obendrein gekostet. Kaj, der kann sich die Sache ja leisten, aber wir haben es nicht so dicke, als Rentner, die wir beide sind. Nein, wie kann man sich nur so aufführen und ständig streiten?« Die Frage war rein rhetorisch, und Stig erwartete auch keine Antwort.
»Ist es jemals zu Handgreiflichkeiten zwischen den beiden gekommen?« fragte Patrik gespannt.
»Nein, Gott bewahre«, sagte Stig mit Nachdruck. »So verrückt sind sie nicht.« Er lachte.
Patrik und Gösta wechselten einen Blick. »Aber Sie haben gehört, daß Kaj früher am Tag hier im Haus war.«
»Ja, das ließ sich kaum überhören«, sagte Stig. »Das war ein Mordstheater unten in der Küche, sie brüllten und lärmten. Aber Lilian warf ihn raus, und er trollte sich mit eingezogenem Schwanz.« Er sah Patrik an. »Ich verstehe wirklich nicht, wie manche Menschen funktionieren. Ich meine, egal was für Probleme sie miteinander hatten, er hätte wohl ein bißchen Mitgefühl zeigen können, angesichts dessen, was passiert ist. Ja also, mit Sara …«
Patrik gab ihm recht, daß man in den zurückliegenden Tagen mehr an Mitgefühl hätte spüren müssen, aber im Unterschied zu Stig schob er nicht alle Schuld auf Kaj. Auch Lilian war erschreckend pietätlos. Ein schlimmer Verdacht war in ihm aufgekeimt, und er fragte weiter, um ihn bestätigt zu bekommen. »Haben Sie Lilian, nachdem Kaj hier war, noch mal gesehen?« Er hielt den Atem an.
»Ja, sicher«, sagte Stig, der sich zu wundern schien, warum Patrik fragte. »Sie kam mit etwas Tee nach oben und erzählte, wie unverschämt sich Kaj aufgeführt hat.«
Jetzt begann Patrik zu verstehen, warum Lilian so beunruhigt gewirkt hatte, als sie ihr mitteilten, sie wollten mit Stig reden. Sie hatte einen taktischen Fehler begangen, als sie ihren Mann vergaß.
»Haben Sie etwas Besonderes an ihr bemerkt?« fragte Patrik.
»Etwas Besonderes? Wie meinen Sie das? Lilian sah ein bißchen erregt aus, aber das ist ja weiter kein Wunder.«
»Nichts, was darauf hindeutete, daß man ihr ins Gesicht geschlagen hatte?«
»Ins Gesicht geschlagen? Nein, absolut nicht. Wer behauptet denn so was?« Stig sah verwirrt aus, und er tat Patrik fast leid.
»Lilian behauptet, Kaj hätte sie mißhandelt, als er herkam. Und sie hat uns zum Beweis Spuren gezeigt, unter anderem im Gesicht.«
»Aber da war nichts in ihrem Gesicht, nachdem Kaj hier war. Ich verstehe nicht …« Stig bewegte sich unruhig im Bett, was zu einer neuerlichen schmerzlichen Grimasse führte.
Patrik war jetzt erbost, und er signalisierte Gösta mit einem Blick, daß sie hier fertig waren.
»Wir werden jetzt wohl nach unten gehen und ein paar Worte mit Ihrer Frau reden«, sagte er und versuchte, so vorsichtig wie möglich aufzustehen.
»Ja, aber wer kann denn …?«
Sie verließen Stig, der mit verwirrter Miene zurückblieb, und Patrik befürchtete, daß Lilian nach ihrem Gehen wohl ein ernstes Gespräch mit ihrem Gatten führen würde. Aber zuerst gedachte er ein ernstes Gespräch mit ihr zu führen.
In ihm kochte es, als sie die Treppe hinunterstiegen. Erst drei Tage war es her, daß Sara gestorben war, und Lilian versuchte, den Todesfall als Mittel in einem lächerlichen Nachbarschaftsstreit zu nutzen. Das war so … gefühllos, daß er es kaum fassen konnte. Was ihn am meisten empörte, war die Tatsache, daß sie Mittel und Zeit der Polizei vergeudete, wo die sich doch in erster Linie darauf konzentrieren
Weitere Kostenlose Bücher