Die Toechter der Kaelte
Ermittlungen meist ziemlich ausgeschlossen und begrüßte deshalb Gelegenheiten, bei denen sie die Chance hatte, mehr zu erfahren.
»Glaubwürdig, aber nicht bestätigt, würde ich sagen«, antwortete Patrik. Er stand auf, nahm sich noch etwas Kaffee und blieb dann, an die Spüle gelehnt, stehen. »Charlotte hat den ganzen Vormittag wegen eines Migräneanfalls im Kellergeschoß gelegen und geschlafen, Stig schlief nach eigenen Angaben ebenfalls. Er hatte eine Schlaftablette genommen und wußte nichts von dem, was um ihn vorging. Lilian war zu Hause und paßte auf Albin auf, nachdem sie Sara hinterhergewinkt hatte, und Niclas war bei der Arbeit.«
»Also die meisten von ihnen haben kein Alibi, das man als wasserdicht bezeichnen kann«, stellte Annika trocken fest.
»Sie hat recht«, meinte Gösta. »Wir waren wohl etwas zu ängstlich, haben uns nicht getraut, härter vorzugehen. Diese Angaben kann man doch definitiv in Frage stellen. Außer Niclas kann sie niemand bestätigt bekommen.«
Da, da war es! Das, was in seinem Unterbewußtsein gespukt hatte. Patrik begann erregt hin und her zu laufen. »Niclas kann absolut nicht in der Praxis gewesen sein. Erinnerst du dich?« sagte er und wandte sich an Martin, der ihn fragend ansah. »Niclas war an jenem Vormittag doch nicht erreichbar. Es dauerte fast zwei Stunden, bevor er nach Hause kam. Wissen wir denn, wo er gewesen ist? Und warum hat er später gelogen, daß er in der Praxis war?«
Martin schüttelte stumm den Kopf. Wie hatten sie das nur übersehen können.
»Sollten wir uns nicht auch Morgan vornehmen, den Sohn im Nachbarhaus? Ob sie nun wahr sind oder nicht, jedenfalls gibt es hier schriftliche Anzeigen, daß er ums Haus geschlichen ist und in die Fenster geguckt hat, nach Lilians Behauptung, um sie entkleidet zu sehen. Warum in aller Welt das einer auch tun sollte«, sagte Gösta und nahm noch einen Schluck Kaffee, während er den anderen zublinzelte.
»Die sind doch verdammt alt, diese Anzeigen, und, wie du sagst, gibt es nicht sehr viel, was für deren Wahrheitsgehalt spricht, besonders nach dem, was gestern passiert ist.« Patrik hörte selbst, wie ungeduldig er klang. Er wollte wahrlich nicht noch mehr Zeit für die Klärung von Lilians Lügen aufbringen, ob nun alten oder neuen.
»Andererseits haben wir ja schon festgestellt, daß wir nicht besonders viel zur Verfügung haben, also …« Gösta hob die Hände, und nun sahen ihn drei Augenpaare mißtrauisch an. Es war ganz einfach ungewöhnlich, daß er eine eigene Initiative ergriff. Aber gerade weil es so selten passierte, sollten sie vielleicht zuhören. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, fuhr Gösta fort: »Außerdem kann man, wenn ich mich recht entsinne, von seinem Häuschen das Anwesen von Florins einsehen, also hat er an dem Morgen ja vielleicht etwas beobachtet.«
»Du hast recht«, sagte Patrik und fühlte sich erneut ziemlich dämlich. Er hätte zumindest daran denken müssen, daß Morgan als möglicher Zeuge in Betracht kam. »Wir machen es so: Du und Martin, ihr redet mit Morgan Wiberg, ich und«, er verstummte, aber zwang sich dann, den Namen zu nennen, »Ernst nehmen uns Saras Vater vor, und am Nachmittag stimmen wir uns ab.«
»Und ich? Kann ich auch etwas tun?« fragte Annika.
»Laß nur das Telefon nicht aus den Augen. Zum jetzigen Zeitpunkt dürfte so einiges in der Presse erschienen sein, und wenn wir Glück haben, kommt vielleicht was Nützliches von der Öffentlichkeit rein.«
Annika nickte und stand auf, um ihre Kaffeetasse in die Spülmaschine zu stellen. Die anderen taten es ihr gleich, und Patrik ging in sein Zimmer hinüber, um auf Ernst Ankunft zu warten. Als erstes würden sie eine Diskussion darüber führen, wie wichtig es war, während einer Mordermittlung pünktlich zur Arbeit zu erscheinen.
Mellberg spürte, wie das Schicksal mit Riesenschritten näherkam. Ihm blieb nur noch ein Tag. Der Brief lag noch immer in der obersten Schublade. Er hatte es nicht gewagt, ihn noch einmal anzusehen. Außerdem kannte er ihn auswendig. Es wunderte ihn, daß er so widerstreitende Gefühle empfand. Seine erste Reaktion war Ungläubigkeit und Empörung, Mißtrauen und Wut gewesen. Aber langsam, langsam hatte sich Hoffnung dazugesellt. Diese Hoffnung hatte ihn total überrascht. Er war immer der Meinung gewesen, ein nahezu perfektes Leben zu führen, zumindest, bis man ihn in dieses Kaff hier versetzte. Danach, mußte er sich eingestehen, war es vielleicht ein bißchen
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