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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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umwandte. Die Schatten der hohen Mauer verbargen seine Augen, doch als er den General erkannte, verzog sich sein Mund zu einem warmen Lächeln, sodass der blonde Spitzbart im hellen Sonnenlicht aufblitzte. „General.“ Er strahlte, als er den dargebotenen Arm ergriff und Christoforo in eine herzliche Umarmung schloss. „Euch liegt etwas auf dem Herzen.“ Es war sowohl eine Frage als auch eine Feststellung. Er trat von Christoforo Moro zurück, der sich spürbar versteift hatte, und lächelte ihm aufmunternd zu. „Es gibt in der Tat etwas, zu dem ich gerne Euren Rat hören würde“, hub der General an. Dann, nachdem er den anderen bei der Schulter genommen hatte, steuerte er ihn von den Zinnen fort, die vor schwitzenden und fluchenden Soldaten wimmelten, und berichtete von dem Gespräch, das er am Morgen mit Desdemona geführt hatte. Von ihrer Bitte, Cassio seinen Posten zurückzugeben, der Forderung nach einem Liebesbeweis und schließlich auch dem Aufenthalt im Rosengarten.
     
    „Ich sehe, unsere letzte Unterhaltung hat Euch ein wenig betrübt“, stellte Jago mitfühlend fest. „Glaubt mir, das war nicht meine Absicht“, beteuerte er. „Cassio ist mein Freund. Ich wollte lediglich sichergehen, dass Eure Liebe und Euer Vertrauen nicht missbraucht werden.“ Christoforo hielt abrupt an und wischte sich das Gesicht, als wolle er nicht vorhandenen Schweiß trocknen. „Ich will glauben, dass Desdemona aufrichtig ist!“, rief er mit einem schmerzvollen Ausdruck auf dem Gesicht aus. Einen Moment lang schwieg Jago, dann nickte er eifrig. „Lang lebe Euer Vertrauen in sie!“ Er tätschelte Christoforo mit einer Geste der unausgesprochenen Kameradschaft den Rücken, aber dieser schien ihn nicht zu hören. „Und trotzdem. Wenn sie mich auf einmal verachten sollte, wie …“ Er ließ den Satz unbeendet und wirbelte unvermittelt zu Jago herum, der mit gerunzelter Stirn neben ihm verharrte. „Sollte Euch noch etwas auffallen, lasst es mich wissen. Befehlt Emilia, ein Auge auf sie zu haben.“ Jago sah den flüchtigen Schatten des Schmerzes über Christoforos Gesicht huschen, als er diesen Treuebruch beging. „In der Zwischenzeit, denke ich, sollten wir Cassio seinen Posten zurückgeben. Die Strafe war hart genug.“ Und vielleicht hält ihn das von meiner Gemahlin fern, setzte er in Gedanken hinzu. Mit diesen Worten drückte Moro Jagos Schulter und wandte sich ab, um zu den Befestigungsanlagen zurückzukehren.
     
    Verdammt! Das lief alles andere als geplant! „Wartet, Signore !“, rief Jago. „Ich bin sicher, dass Cassio es verdient, wieder in seine Stellung eingesetzt zu werden“, keuchte er – kaum dazu in der Lage, seine Enttäuschung zu zügeln. „Aber wenn Ihr ihn noch ein wenig länger hinhaltet, werdet Ihr Gewissheit erlangen! Beobachtet Eure Gemahlin und die Dringlichkeit, mit der sie für ihn Fürsprache hält, genau. Behaltet Cassio im Auge und geht sicher, dass der Verdacht unbegründet ist.“ Christoforo wog diesen Vorschlag einige Augenblicke lang ab, dann nickte er. Es nützte nichts, der Wahrheit aus dem Weg gehen zu wollen. Egal, wie schmerzhaft sie war, sie musste ans Licht kommen! Auch wenn er einfach nicht glauben wollte, dass Desdemona ihn jemals hintergehen würde!
     
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Konstantinopel, Topkapi Palast, eine Kammer im Harem, März 1571
     
    Es war, als ob die Nächte nicht existierten. Elissas Leben endete mit dem Einbruch der Dunkelheit und begann erneut, wenn die Morgendämmerung den trostlosen, grauen Himmel mit einem hoffnungsvollen Scharlachrot überzog und sie die verhasste Umarmung ihres Peinigers fliehen konnte. Sie hatte die ganze Nacht über neben seiner schnarchenden Silhouette wach gelegen, ohne dazu in der Lage zu sein, die Augen zu schließen und Schlaf zu finden. Er hatte kein Wort mehr über die geplante Hochzeit verloren. Allerdings schien er, seit er wusste, dass sie ein Kind von ihm in sich trug, weniger brutal als vorher.
     
    Leise und vorsichtig schälte sie sich aus den Laken und schlüpfte aus dem Bett – vorsichtig darauf bedacht, ihn nicht zu wecken. Es war eine unausgesprochene Vereinbarung, dass sie seine Gemächer am frühen Morgen verlassen konnte, da er selbst gewöhnlich im Bett blieb, lange nachdem die Sonne aufgegangen war. Die ganze Nacht über war es ihr nicht gelungen, den Anblick der auf dem harten Fliesenfußboden knienden Hülya zu verdrängen. Neslihan hatte ihr mitgeteilt, wohin man das unglückliche Mädchen gebracht hatte. Doch

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