Die Töchter der Lagune
Entschlossenheit nahm sie die kürzere der beiden Musketen auf und wog sie in der Hand. „Sie ist überhaupt nicht schwer“, log sie und versuchte, den Kolben an die Wange zu heben, so wie Francesco es ihr gezeigt hatte.
„Warte“, unterbrach er sie. „Ohne Kugel kannst du nicht schießen!“ Sie errötete und senkte die Waffe, wobei ihr Arm von der Anstrengung leicht zitterte. „Du musst eine ganze Menge beachten, bevor sie feuerbereit ist. Ich zeige es dir.“ Mit diesen Worten hob er die andere Muskete auf, entzündete die Lunte, angelte nach dem kleinen Beutelchen mit Schießpulver und füllte die Pfanne damit. Dann wechselte er die Muskete von der rechten in die linke Hand und klappte den Schutzdeckel am Zündloch hoch. Nachdem er das exakte Maß an Schwarzpulver in den Lauf gekippt hatte, rammte er die Kugel, die Angelina ihm gereicht hatte, hinein. „Siehst du, dieser kleine Messbecher sagt dir genau, wie viel Pulver du nehmen musst.“ Er wies mit dem Kinn auf ein kleines hölzernes Gefäß, in dessen Wand Kerben eingeschnitzt waren. „Wenn du zu viel hineinkippst, kann der Lauf explodieren.“ Dies war eine der Tücken in der Hitze des Kampfes. Wenn ein Musketier nachlässig wurde, war nicht der Gegner, sondern er selbst sein gefährlichster Feind.
„Kannst du mir den Ladestock geben?“, bat er und wies auf einen langen Holzstab, der neben all den anderen Utensilien auf dem Boden lag. Angelina bückte sich, hob ihn auf und reichte ihn Francesco – neugierig, was als Nächstes geschehen würde. „Du musst die Kugel fest hineinstopfen“, ermahnte er sie, bevor er den hölzernen Ladestock wieder aus dem Lauf zog und auf eine der schwierigeren Scheiben zielte. Als er den Abzug drückte, puffte eine kleine Pulverwolke zum Himmel, und der Schuss pfiff aus dem Lauf. Er verfehlte das Ziel um einige Schritte. „Es ist fast unmöglich etwas, das mehr als einen Steinwurf entfernt ist, genau zu treffen“, belehrte Francesco sie. „Sie sind nützlich, wenn es darum geht, in die Meute zu schießen. Aber für den Zweikampf sind sie zu unhandlich und ungenau.“
Angelina war dennoch beeindruckt. Er hatte die schwere Waffe ohne die Hilfe einer Stütze abgefeuert! „Jetzt kannst du es versuchen.“ Francesco nickte einladend in die Richtung der zweiten Feuerwaffe. Vor Aufregung zitternd griff Angelina danach und ahmte die Schritte nach, in denen Francesco sie soeben unterwiesen hatte. Sie war so voller Konzentration, dass sie nicht einmal bemerkte, wie der starke Wind an ihren Haaren zog und ihre kunstvolle Frisur zunichte machte. Bevor sie schließlich den Kolben an die inzwischen gerötete Wange hob, hatte sie sich beinahe ein Stück Unterlippe abgebissen. Francesco lachte innerlich. Er hätte ihr am liebsten die schwere Muskete abgenommen und sie auf den köstlichen Schmollmund geküsst. „Wie zielt man damit?“, unterbrach sie seine Gedanken. „Du musst die Zielvorrichtung am Ende des Laufes benutzen“, erklärte er. Anstatt auf weitere Anweisungen zu warten, wandte sie sich einer der Zielscheiben zu und zog den Hahn. Der Rückstoß schleuderte sie zurück, und sie landete auf ihrem Hinterteil – die Muskete immer noch mit beiden Händen umklammert. „Autsch!“, protestierte sie lachend und legte die Waffe vorsichtig ab, bevor sie sich den Kiefer massierte. „Das war ganz schön hart!“
Francesco streckte die Hand aus und half ihr auf. „Habe ich getroffen?“, fragte sie und raffte die inzwischen schmutzigen Röcke, um auf das Ziel zuzueilen. Kopfschüttelnd rannte Francesco ihr nach, um unterwegs die Kugeln einzusammeln. „Getroffen! Getroffen!“, rief sie und hüpfte vor der hölzernen Scheibe auf und ab wie ein kleiner Kobold. „Sieh nur!“ Als er bei ihr ankam, untersuchte er das Ziel und nickte ernst. „Wenn wir Verstärkung auf den Zinnen brauchen, werde ich nach dir schicken lassen“, neckte er sie mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen. „Ach, sei nicht dumm!“, schalt sie. „Wenigstens fühle ich mich jetzt ein bisschen sicherer.“ Francesco verkniff sich einen Kommentar. Er wollte ihr nicht sagen, wie wenig ihr ihre neu erworbenen Kenntnisse nützen würden, wenn es den Osmanen tatsächlich gelingen sollte, die Stadt einzunehmen.
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Zypern, eine Kammer in der Zitadelle, März 1571
Es war, als ob der nagende Zweifel Christoforo lähmte. Er starrte auf den Stiefel in seiner Rechten hinab. Ein Fuß war bereits mit dem festen,
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