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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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der Gedanke, sich der neugierigen Schar schnatternder Frauen, die wie ein Schwarm Gänse zum Richtplatz geströmt waren, anzuschließen, hatte Elissa abgeschreckt.
     
    Nachdem sie, ohne auf die Janitscharen davor zu achten, die hohe Flügeltür zugezogen hatte, huschte sie den langen Gang entlang auf das Peristyl zu, das zu der Stelle führte, die Neslihan beschrieben hatte. Sie befand sich hinter dem Beschneidungspavillon und war von alten Zypressen und Palmen verborgen. Mit klopfendem Herzen schlich sie an der Wand entlang, um ihre Gegenwart in den tiefen Schatten zu verbergen. Als sie um die Ecke bog, gaben die massiven Säulen einen Blick auf den Hof frei, in dessen Mitte ein grober Holzpfahl errichtet worden war. Gerade als die ersten Sonnenstrahlen über die Palastdächer krochen, fielen Elissas Augen auf die ausgedörrte Person, die mit Ketten um Knöchel, Handgelenke und Hals an den Pfosten gefesselt war. Das Entsetzen schnürte ihr die Kehle zu, und sie eilte auf die leblose Gestalt zu. Obschon die Verurteilte erst einen Tag lang in der prallen Sonne brütete, war ihre Haut bereits wund und mit Blasen übersäht. Viele der Verbrennungen hatten sich entzündet und eiterten. Auf dem Boden neben ihr stand eine kleine, irdene Schale, die den Pfeffersaft enthalten hatte, mit dem die Henker ihren nackten Leib bestrichen hatten. „Hülya“, flüsterte Elissa eindringlich. „Hülya.“ Das Mädchen erwachte aus seiner Benommenheit und hob schwach den Kopf, wobei es versuchte, den wirren Blick auf Elissa zu heften. „Wasser“, murmelte es schwach. „Bitte gib mir Wasser!“ Dank Neslihans Engelsgeduld war Elissas Türkisch inzwischen gut genug, um die verschwommenen Worte zu verstehen. Hastig sah sie sich um, doch der kleine Hof bot nichts, das sie gebrauchen konnte. Allerdings, erinnerte sie sich, gab es vor dem Beschneidungspavillon einen prächtigen Springbrunnen. „Ich bin gleich zurück“, beruhigte sie das leidende Mädchen.
     
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    Als sie sah, was die Lieblingskonkubine des Sultans tat, konnte Gümüs sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen. Obwohl ihr das Mädchen am Anfang leidgetan hatte, genügte die Tatsache, dass sie die anderen Harems mitglieder der Gunst des Beherrschers der Gläubigen beraubt hatte, um ihren Hass auf sich zu ziehen. Vorsichtig darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, schlich sie auf Zehenspitzen rückwärts in den Säulengang zurück und eilte ins Hauptgebäude. Sie würde die Valide Sultan alarmieren. Die Mutter des Sultans sollte entscheiden, was mit der Metze geschehen sollte.

Kapitel 27
     
Zypern, die Zitadelle von Famagusta, April 1571
     
    Sie kamen! Der Ausguck auf der Arsenal Bastion hatte Alarm geschlagen. Zunächst war der wogende Wald aus Segeln für eine Sinnestäuschung gehalten worden, doch dann hatte man unheilvolle Gewissheit. Ein aufgelöster Bote war zu Christoforo Moro geeilt, der sich zu diesem Zeitpunkt in einer Besprechung mit Bragadin und seinen Offizieren befunden hatte, um ihn von der drohenden Gefahr in Kenntnis zu setzen. „Es sind so viele, dass sie das gesamte Wasser bedecken, so weit das Auge reicht!“, hatte der Bote kurzatmig hervorgestoßen.
     
    Zuerst hatte Christoforo geglaubt, der Mann übertreibe. Doch als er auf dem dickwandigen Turm der Bastion anlangte, schien eine eiskalte Hand nach seinen Eingeweiden zu greifen. Von diesem Aussichtspunkt wirkte es beinahe, als ob ein ungehemmter Strom überlebensgroßer Ameisen die Wellen teilte und – durch nichts aufzuhalten – das grüne Wasser verschlingend auf Zypern zukroch. „Das ist unser Ende!“, flüsterte eine vor Schrecken heisere Stimme in Christoforos Rücken. „Es sind Hunderte!“ Christoforo wirbelte herum, um zu sehen, wer das gesagt hatte, und blickte in Marcantonios bleiches Gesicht. Der Luogotenente hatte endlich seinen Gehstock aufgegeben, und sein Bein schien gut verheilt. Seit dem furchtbaren Vorfall war er allerdings Christoforo gegenüber sichtlich kühler und reservierter, da er ihm die Härte, mit welcher der Provveditore ihn in dieser Nacht behandelt hatte, nie verziehen hatte.
     
    Christoforo runzelte die Stirn. Auch wenn er die gleiche hilflose Verzweiflung empfand wie Bragadin, war es gegen alle Schicklichkeit, wenn ein Befehlshaber vor seinen Untergebenen die Selbstbeherrschung verlor. Besonders im Angesicht einer solch entmutigenden Bedrohung sollte ein General alles in seiner Macht Stehende unternehmen, um Zuversicht auszustrahlen

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