Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Er machte einen tiefen Bückling, bei dem sein langes, dünnes Haar beinahe den Boden streifte. Dabei gab er aufgeregte Geräusche von sich, die einer Henne ähnelten, die ihre Küken verloren hatte.
     
    „Ich kann Euch getrost seinen fähigen Händen überlassen“, stellte Desdemona mit einem Lächeln fest. „Bitte kommt heute Abend in die große Halle hinab. Es wird ein Festmahl zu Euren Ehren geben. Ich werde alles Nötige in die Gänge leiten.“ Mit diesen Worten nickte sie ihnen noch einmal kurz zu und ging zu dem Oberstleutnant zurück, mit dem sie noch ein paar Worte wechselte, bevor das Hauptgebäude der Zitadelle sie verschluckte.
     
    *******
     
Zypern, vor den Stadtmauern von Famagusta, Juni 1571
     
    „Rechts von dir!“, brüllte Francesco mit vom Schreien heiserer Stimme. Die Abenddämmerung brach bereits herein, und die Angriffe der berittenen Bogenschützen ebbten langsam ab. Türkische Sturmtrupps hatten die Gräben inzwischen bis vor den hufeisenförmigen Ravelin und den Turm der Arsenal Bastion getrieben. Doch auch diese Soldaten hatten sich für die Nacht zurückgezogen, da das Tragen von Fackeln in den engen Gängen zu viele Gefahren barg. Weil sich die Tunnel inzwischen zu einem verwirrenden Labyrinth strategischer Sackgassen und wirklicher Gräben vermehrt hatten, war es den Venezianern beinahe unmöglich, den Bewegungen des Feindes zu folgen. Das Ganze glich einem riesigen Ameisenhügel. Oft brachten die Verteidiger einen halben Tag mit dem Versuch zu, einen der Gräben zu zerstören, der sich dann allerdings als Finte herausstellte, die darauf abzielte, sie zum Verschwenden ihrer Munition zu verleiten. Daher hatten sie begonnen, all die Minen zu bergen, die sie ausfindig machen konnten. Und das Schießpulver, das auf diesem Weg in ihre Hände fiel, dazu zu benutzen, ihre eigenen Kanonen und Musketen zu füttern. Es war ein gefährliches Geschäft, da es sie zwang, die Sicherheit der Stadtmauern aufzugeben. Und nachdem die Türken die List der Venezianer durchschaut hatten, waren sie dazu übergegangen, die schweren Fässer im Schutz des Ravelins zu bewachen, der mit Flankenfeuer nicht zu bestreichen war.
     
    „Pass auf, hinter dir!“ Der junge Soldat, der sich gebückt hatte, um eine der Minen auszugraben, wirbelte gerade noch rechtzeitig herum. Ein riesiger Türke schwang ein Krummschwert, das rot war vom Blut der am Tage erschlagenen Feinde, und stürmte auf ihn zu. Viele der von den feindlichen Pfeilen durchbohrten Verteidiger verloren täglich das Gleichgewicht und stürzten auf die vertrocknete Grasnarbe vor der Ringmauer. Dort wurden sie von den selbstmörderischen Angreifern, die sich nicht vor Musketenkugeln zu fürchten schienen, niedergemetzelt. Der Venezianer war Teil eines fünf Mann starken Bergungstrupps, den Francesco anführte. Die Angreifer mussten ihnen – verborgen von der Mauer des Ravelins – aufgelauert haben. Ehe Francesco dem Mann zur Hilfe eilen konnte, tauchten direkt vor ihm zwei Türken auf, die etwas Unverständliches brüllten. Mit der Rechten versuchte Francesco, die Hiebe des Gegners rechts von ihm abzuwehren, während er gleichzeitig verzweifelt bemüht war, den anderen nicht in seinen Rücken gelangen zu lassen. „Macht weiter!“, rief er seinen Männern zu und bedeutete ihnen, mit dem Ausgraben des Fasses fortzufahren. Solange er konnte, würde er die Feinde ablenken.
     
    Er wusste nicht, wie lange er verbissen gegen die beiden Männer angekämpft hatte. Diese ließen trotz der tiefen Wunden, die er ihnen inzwischen hatte zufügen können nicht von ihm ab, und irgendwann im Verlauf des Gefechtes begann seine Schulter sich anzufühlen, als flösse flüssiges Blei durch ihre Adern. Er konnte das Schwert nicht viel länger halten. Mit letzter Kraft hechtete er über den Wall und kroch im Schutz der Stadtmauer auf die Mine zu, während seine beiden Gegner erschöpft zurückblieben. Als er das Schießpulverfass beinahe erreicht hatte, ebbte der Kampfeslärm um ihn herum plötzlich ab und eine unheimliche Stille senkte sich über den Graben. „Keine Bewegung!“, befahl eine Stimme, in der dunkle Drohung mitschwang. „Du da! An der Zugbrücke. Steh ganz langsam auf!“ Während sein Magen sich vor Furcht verkrampfte, kämpfte Francesco sich mühsam auf die Knie. Sobald er sehen konnte, was in dem tiefen Burggraben vor sich ging, setzte sein Herz aus. Eine Gruppe osmanischer Soldaten hatte seine Männer umzingelt, und einer der Turbanträger zielte

Weitere Kostenlose Bücher