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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Konstantinopel, Topkapi Palast, eine Kammer im Harem, Juni 1571
     
    Als Elissa die Lider hob, war sie erstaunt, Neslihans Gesicht in klaren und hellen Farben zu sehen. Der rote Nebel, der ihre Sicht verschleiert hatte, war vollkommen verschwunden. „Wie spät ist es?“, fragte sie verwirrt. Das letzte Mal, als sie versucht hatte, die Menschen um sich herum zu erkennen, war es finstere Nacht gewesen, und der Schein der Fackeln hatte bizarre und erschreckende Muster auf die Wände gemalt. „Schsch.“ Neslihan legte ihr sanft den Finger auf die heißen Lippen. „Nicht sprechen.“ Die Augen des kleinen Mädchens waren voller Liebe, doch Elissa konnte sehen, dass sie lange nicht geschlafen hatte. Lilafarbene Schatten sorgten dafür, dass ihre dunklen Augen noch größer wirkten, als sie ohnehin schon waren.
     
    „Du bist sehr krank gewesen“, informierte Neslihan sie. „Jemand hat dein Essen vergiftet.“ Elissa erinnerte sich schwach daran, einen Tag bevor die furchtbaren Krämpfe einsetzten, von einer seltsam schmeckenden Suppe gekostet zu haben. Langsam kamen die Erinnerungen zurück. „Der Hekim hat beinahe eine Woche lang um dein Leben gebangt“, sagte sie. „Der Koch wollte nicht preisgeben, womit er dich vergiftet hat, aber die Wachen haben einige Reste in der Küche gefunden. Damit ist es dem Hekim gelungen, ein Gegengift zu mischen.“ Elissa schloss die Augen wieder. Das helle Licht schmerzte sie immer noch tief im Innern ihres Schädels. Wer wollte sie töten? Ehe sie die Frage zu Ende gedacht hatte, preschte die Antwort in ihr Bewusstsein. Das Kind! „Was ist mit …?“, hub sie an, doch die Worte schnitten wie Messer in ihre Kehle. „Dem Kind geht es gut“, erwiderte Neslihan, die Elissas unwillkürlichen Griff zum Bauch richtig interpretierte.
     
    „Ja, und meinem Sohn wird auch kein weiteres Leid zustoßen!“, fügte ein wohlbekannte Tenorstimme hinzu. Einer der Janitscharen, welche die Tür zu Elissas Gemach bewachten, war davongeeilt, um den Sultan zu benachrichtigen, sobald Elissa die Augen geöffnet hatte. Neslihan wich respektvoll zurück und sank in eine tiefe Verbeugung, während sie sich mit vor der Brust gekreuzten Armen zur Tür zurückzog. Obgleich sie es sich nie hätte vorstellen können, war Elissa beinahe froh, Selims feistes Gesicht zu sehen. In seinen Zügen lag sogar etwas, das an Besorgnis erinnerte. Doch sie war sich sicher, dass er lediglich um seinen Erben bangte. „Du wirst mich nach Zypern begleiten“, verkündete er. „Eigentlich hatte ich vor, der Belagerung fernzubleiben, aber dieser Palast ist kein sicherer Ort mehr für dich.“ Er rümpfte die Nase. „Und ich wollte schon immer mal auf einen Feldzug.“

Kapitel 32
     
Zypern, ein Gemach in der Zitadelle, Juni 1571
     
    Verflucht! Er hatte weder die Zeit noch die Nerven für diese politische Posse! Christoforo hatte die Besucher begrüßt, sobald er von der Front zurückgekehrt war. Gratiano hatte seinen Hass kaum verbergen können, und Christoforo hatte den Funken boshafter Freude in seinen grauen Augen entdeckt, als Lodovico ihm das Bündel versiegelter Briefe aus Venedig überreicht hatte. Sobald es die Höflichkeit zuließ, hatte er sich entschuldigt und war in sein Gemach geeilt, wo er die meisten der Nachrichten achtlos aufs Bett gepfeffert und die mit dem Siegel des Dogen versehene Mitteilung aufgerissen hatte.
     
    Mit wenigen Worten setzte man ihn davon in Kenntnis, dass der Senat beschlossen hatte, ihn nach Venedig abzuberufen, und seinen Posten an Cassio zu übergeben. Er lachte bitter. An Cassio! Warum war er so töricht loyal gewesen, den alten Geißböcken nicht von dem Zerwürfnis zwischen Marcantonio Bragadin und dem Oberstleutnant zu berichten? Er knallte wütend die Faust gegen die Wand. „ Da die Republik dringend Eurer Dienste in wichtigen Staatsangelegenheiten bedarf … “ Was für ein Unsinn! Mit einer zornigen Bewegung zerknüllte er das teure Papier und warf es in den Kamin, wo sich die Ränder langsam schwärzten und aufrollten, bevor es den hungrigen Flammen nachgab. Es war das Werk seiner Feinde im Senat – dessen war er sich sicher. Höchstwahrscheinlich hatte Gratiano das Misstrauen und die Abneigung, die viele der Versammlungsmitglieder ihm von Anfang an entgegengebracht hatten, geschürt und für seine Zwecke missbraucht. Immerhin schien er Christoforo für den Tod seines Bruders verantwortlich zu

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