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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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vergessen zu haben, da er offensichtlich alle Hände voll zu tun hatte, die Soldaten zu beaufsichtigen. Diese setzten die Mauern wieder instand und türmten eine weitere Reihe mit Erde gefüllter Fässer und Säcke auf, die den Feind aufhalten sollten, falls er erneut durch die erste Verteidigungslinie brechen würde. Nichtsdestotrotz musste sie all ihre Willenskraft aufbieten, um das angstvolle Zittern zu unterdrücken, das sie überkam, wann immer er spät nachts oder früh morgens ihre Schlafkammer betrat und scheinbar eine Ewigkeit auf sie hinabstarrte, bevor er zwischen die Laken schlüpfte. Sie hatte mit sich gerungen, ob sie ihn davon in Kenntnis setzen sollte, dass sie schwanger war, hatte die Idee jedoch wieder verworfen – aus Furcht davor, einen weiteren grundlosen Wutausbruch auszulösen.
     
    Auch hatte sie sich das Gehirn zermartert, was sie wohl getan haben könnte, um all das verdient zu haben. Doch ganz egal, wie tief sie in ihrer Seele forschte, sie konnte keinen Grund dafür finden. Es konnte unmöglich Eifersucht sein, wie Emilia vermutete – sie hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Oder wenigstens war sie sich keines Fehlverhaltens bewusst. Sie fragte sich langsam, ob er durch die Last des Krieges wahnsinnig geworden war. Es waren Gerüchte im Umlauf, dass seine Mutter dem Wahnsinn erlegen war, aber Desdemona wusste nicht, ob sie ihnen Glauben schenken sollte oder nicht. Sie presste die Augenlider fest aufeinander und versuchte, sich nicht zu verraten, während ihre Gedanken arbeiteten. Was wusste sie denn über seine Familie außer den Dingen, die er ihr erzählt hatte? Was, wenn es tatsächlich eine Gemütskrankheit war, die ihn auffraß? Musste sie dann nicht versuchen, ihm zu helfen? Innerlich seufzend lauschte sie dem Geräusch raschelnden Stoffes, als er seine Uniform anlegte, und bemühte sich, tief und regelmäßig zu atmen. Im Nebenraum bereitete Emilia ihr Bad vor.
     
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Zypern, die Zitadelle von Famagusta, 9. Juli 1571
     
    Langsam stieg die Sonne über den östlichen Horizont und erhellte ihre kleine Kammer. Angelina hatte neun Stunden geschlafen, erschöpft von den vergangenen Wochen durchwachter Nächte. Ihr Körper fühlte sich seltsam taub an, und sie wackelte mit den Zehen, um das Kribbeln in ihrer Fußsohle loszuwerden, während sie gleichzeitig die Arme streckte und herzhaft gähnte. Vermutlich lag es an all der harten, körperlichen Arbeit – der Versorgung der Verwundeten und dem Schleppen von Eimern – dass ihre Muskeln schmerzten. Ihr unbekleideter Körper war schweißverklebt, und sie beeilte sich, aus dem Bett zu springen, um mit den Vorhängen die Sonne auszusperren, die ansonsten ihre Kammer in einen glühenden Ofen verwandeln würde. Wie sie sich nach einem Bad in kaltem Wasser sehnte!
     
    Mit einem tiefen Seufzer klatschte sie sich das zwei Tage alte, lauwarme Wasser aus ihrer Waschschüssel ins Gesicht und begann, sich das Haar zu ordnen. Ihre Bürste aus Schweineborsten war kaum dazu in der Lage, den verschwitzten Urwald auf ihrem Kopf zu entwirren. Obgleich die Oberfläche ihres Spiegels fast blind war, genügte das verschwommene Bild, um sie einen Entschluss fassen zu lassen. Seit Francesco dem Feind in die Hände gefallen war, hatte sie sich gehen lassen. Die Kleider, die sie vom Boden auflas, waren schmutzig, und sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie ihre Haarpracht das letzte Mal aufwendig aufgesteckt hatte. Das musste sich ändern! Sicherlich würde er bald fliehen können, und wenn sie die Arme um ihn schlang, wollte sie aussehen und riechen wie die Rosen in ihrem geliebten Rosengarten. Mit einer energischen Bewegung zog sie die Bürste durch einen besonders widerspenstigen Knoten und angelte mit der anderen nach einem Stück Seife.
     
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Zypern, Famagusta 9. Juli 1571
     
    Wie war er hierher gekommen? Die lange Linie Fässer und Säcke lag noch in den tiefen Schatten der nicht mehr ganz so uneinnehmbaren Stadtmauern. Doch der oberste Teil der Zinnen badete bereits im warmen, goldenen Licht der Morgendämmerung. Die Lufttemperatur war noch erträglich, aber die Männer, die damit beschäftigt waren, weitere Erdsäcke aufzuschichten, um die Barrikade zu verstärken, schwitzten bereits heftig. Verwirrt schüttelte Christoforo Moro den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen. Er wusste nur noch, dass er sich vor dem Einschlafen die zerknüllte Bettdecke um die Beine gewickelt hatte. Das war das Letzte, woran er sich

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