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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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genug türkische Soldaten die Latrine benutzen sehen.
     
    Es war köstlich. Ohne es zu bemerken, hatte Francesco so viel in sich hineingestopft, dass er meinte, platzen zu müssen. Über all dem Kauen und Hinunterspülen der Köstlichkeiten mit einem exquisiten Rotwein war ihm kaum aufgefallen, dass sie die meisten der Schüsseln inzwischen geleert hatten. Das Thema ihrer Unterhaltung war angenehm leicht; er hatte dem türkischen Oberbefehlshaber von Angelina erzählt, hatte mit sehnsüchtigem Blick ihre bemerkenswertesten Eigenschaften beschrieben sowie von ihrer Hochzeit berichtet. Mustafa hatte aufmerksam zugehört und hie und da eine Bemerkung über seine eigene Gemahlin, Behiye, eingeflochten, die allerdings mit den anderen Frauen im Topkapi Palast zurückgeblieben war. Er hatte höflich eine Bemerkung über sein Heilmittel gegen Dickköpfigkeit geschluckt, da er vermutete, dass sein Gast sie nicht übermäßig amüsant finden würde.
     
    Als die Knaben schließlich den Tisch abgeräumt hatten, klatschte Mustafa erneut in die Hände, und ein weiterer junger Sklave kniete sich vor ihnen nieder, um ein poliertes Schachbrett aufzubauen. „Wählt.“ Der Aga wies auf zwei unterschiedlich farbige Königinnen – die eine schwarz, die andere weiß und seidig schimmernd. „Weiß“, verkündete Francesco, bevor er die kleinen Figuren auf dem karierten Brett verteilte. „Nun, denn“, sagte Mustafa ruhig. „Lasst uns sehen, wer der bessere Stratege ist.“
     
    Stunde um Stunde schien in der Hitze im Inneren des Zeltes dahinzuschmelzen, während die beiden Männer ihre volle Aufmerksamkeit auf das kleine Brett zwischen sich richteten. Und nur hin und wieder mit einer ungeduldigen Geste den Schweiß aus ihren Gesichtern wischten. Zuerst schien Francesco den besseren Schlachtplan zu haben und mähte Bauer um Bauer vom Brett, aber als Mustafa ihm den zweiten Turm nahm, wendete sich das Blatt. Die ganze Zeit über versuchte der türkische General, ihn mit höhnischen Bemerkungen über ihren Anführer zu provozieren, doch Francesco blieb von diesen Beleidigungen unberührt. Je weiter der Abend allerdings fortschritt, desto mehr sanken seine Chancen, gegen den erfahrenen Schachspieler zu gewinnen. Als Mustafa schließlich seine weiße Königin fällte, was seinen König schutzlos auf dem Brett zurückließ, grinste der Osmane hochmütig. „Eure Stadt wird dieses Schicksal teilen.“
     
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Zypern, ein Militärpavillon vor den Toren Famagustas, 29. Juni 1571
     
    Vergebens! All ihre Hoffnung war umsonst gewesen! Er würde sie niemals in Ruhe lassen. Wie hatte sie so einfältig sein können, anzunehmen, dass eine andere Frau seine abartigen Gelüste genauso befriedigen konnte wie sie? Elissa hätte vor Verzweifelung am liebsten laut geschrien. Im Moment war das allerdings nicht möglich, da er ihr seine widerwärtig hässliche Männlichkeit zwischen die Lippen gezwungen hatte. Sie würgte, als sie seinen stählernen Griff im Nacken spürte. „Mach weiter, los!“, höhnte Selim. „Das ist der einzige Weg, auf dem wir in nächster Zukunft zusammenkommen können, meine Liebe. Ich möchte schließlich nicht, dass das Erste, was mein Sohn von mir sieht, mein Schwanz ist.“ Er brüllte vor Lachen, als er sein Geschlecht noch tiefer in ihren Rachen zwang.

Kapitel 39
     
Zypern, die Zitadelle von Famagusta, 9. Juli 1571
     
    So zu tun, als ob sie schliefe, war schwieriger, als Desdemona gedacht hatte. Seit der Szene im Krankenlager war sie Christoforo so weit wie möglich aus dem Weg gegangen. Vier Nächte nach dem Vorfall war er das erste Mal wieder zum Übernachten in die Zitadelle gekommen und vor Erschöpfung sofort eingeschlafen. Sein Verhalten hatte sie vollkommen aus der Bahn geworfen; und sie fürchtete sich davor, ihm unter die Augen zu treten, da sie beim besten Willen nicht wusste, wo der zweite dieser verwünschten Ohrringe hingekommen war, die ihm so wichtig zu sein schienen. Sie musste ihn verloren haben. Auch konnte sie sich keinen Reim auf den Brief machen, dessen Tinte durch Schmutz und Blut beinahe völlig verwischt worden war. Etwas mit Vollmond und Zitadelle war alles gewesen, was sie hatte entziffern können. Aber was das mit Christoforos Verhalten zu tun hatte, war ihr schleierhaft. Sie hatte Emilia gebeten, die Nächte in der angrenzenden Kammer zu verbringen – nicht sicher, was sie tun sollte, wenn er noch einmal die Beherrschung verlor. Glücklicherweise schien er die dummen Ohrringe

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