Die Töchter der Lagune
Lunte hinauf und erreichte schon bald die tödliche Mischung.
Die Explosion erschütterte das ganze Schiff, und Elissa wurde zu Boden geschleudert. Während ihr eisige Furcht in die Glieder fuhr, überschlugen sich die Gedanken in ihrem Kopf. Wo waren ihre Eltern? Was war geschehen? Warum kümmerte sich niemand um sie? Das Entsetzen betäubte ihre Sinne, als sie blicklos dabei zusehen musste, wie Männer an den schrecklichen Wunden, die Kugeln oder Armbrustbolzen ihnen gerissen hatten, starben. Einer von ihnen kämpfte in Todesqualen mit einem Stück in Flammen stehender Leinwand, die von oben auf ihn herabgefallen war. Die Zeit schien still zu stehen, und Elissa nahm all die entsetzlichen Einzelheiten durch den Schleier des Schocks wahr. Das lange, verfilzte Haar des Mannes, der mit dem brennenden Segeltuch rang, hatte Feuer gefangen, und er tanzte schreiend und um sich schlagend in einem makaberen Todestanz durch ihr Blickfeld. Das Deck war mit schwer verletzten Männern übersäht. Über all dem lag der tosende Donner der Kanonen, die vergeblich versuchten, die Boote der Angreifer zu versenken. Die ersten Enterhaken schlugen sich bereits in die Bordwände der Karavelle, und die venezianischen Seemänner hatten alle Hände voll zu tun, ihr Schiff zu verteidigen. Hände, die Enterbeile umklammert hielten, wurden abgehackt, doch zwei neue Piraten schienen jedem erschlagenen Kameraden zu folgen.
„Elissa!“ Die Stimme ihres Vaters durchdrang den Nebel, der sich über sie gesenkt hatte. „Elissa!“ Sie kämpfte sich auf die Knie und sah, wie er und ihre Mutter auf sie zuhasteten, wobei sie einem der schreienden Korsaren gefährlich nahe kamen. „Hinter dir, Mutter!“, schrie sie panisch aus und wies auf eine blutige Hand, die sich um ein Krummschwert schloss. Ihre Mutter hielt einen Moment inne und zögerte eine schicksalhafte Sekunde zu lange. Zwar stieß Elissas Vater sie geistesgegenwärtig aus der Reichweite der tödlichen Klinge, aber während die Aufmerksamkeit ihrer Eltern noch auf den Angreifer gerichtet war, feuerte die Kanone neben ihnen. Jedenfalls hätte sie feuern sollen. Anstatt die Kugel in die Luft zu schleudern, explodierte der Lauf jedoch mit einem ohrenbetäubenden Knall und riss ihre Eltern und die Männer, die in der Nähe standen, in den Tod. Während rings um Elissa Menschen ihr Leben verloren, ergoss sich ein unaufhaltsamer Strom von Feinden über die Bordwand des Schiffes. Die Piraten töteten jeden, der ihnen in den Weg trat, wobei sie Befehle in einer tief gutturalen Sprache brüllten. Elissa war zusammengebrochen und schluchzte hemmungslos, nicht dazu in der Lage, die Endgültigkeit der albtraumhaften Szene zu verarbeiten, als einer der blutüberströmten Korsaren brutal ihre Locken ergriff und ihren Kopf nach hinten riss. Sie stieß einen schrillen Schrei aus, als sie in ein Gesicht starrte, das vor Mordlust zu einer furchtbaren Fratze verzogen war. Kaum hatte der Mann sein blutiges Krummschwert erhoben, um ihr die Kehle durchzuschneiden, tauchte Maria mit einer Axt in der Hand auf, und ging mutig auf den Angreifer los. Doch von einem Instinkt geleitet, wirbelte der Türke gerade noch rechtzeitig herum, um der ungeschickt geführten Waffe auszuweichen. Die Wucht des Hiebes brachte Maria zum Stolpern, und ehe sie sich umwenden konnte, um das Beil erneut zu heben, sauste die tödliche Klinge des Piratensäbels auf sie nieder. Elissa, die den verzweifelten Kampf ihrer Zofe mit schreckgeweiteten Augen verfolgt hatte, verlor das Bewusstsein.
Kapitel 7
Venedig, Signor Brabantios Casa, Dezember 1570
Angelinas Plan war aufgegangen. Desdemona hatte sich nach ihrem heimlichen Treffen mit Moro wieder unbemerkt zu ihren nichts ahnenden Eltern gesellen können. Mit dem ihr eigenen Überschwang hatte Angelina den alten Herrschaften die Schwester einer ihrer Freundinnen vorgestellt. Und so hatten sie die Zeit, die Christoforo und Desdemona dazu benötigten, einen Plan auszuhecken, damit zugebracht, mit der entzückenden jungen Dame zu plaudern. Nur mühsam hatte sich Angelina ein süffisantes Grinsen verkneifen können, als ihre große Schwester mit einem unschuldigen Lächeln auf den Lippen zu der kleinen Gruppe zurückgekehrt war.
Jetzt, ein paar Stunden später, saßen sie zusammen mit einigen der anderen Signorine im Salon e, unterhielten sich angeregt, bestickten kostbare Kleider und lauschten der Geschichte, die eine ihrer „Freundinnen“ aus Boccaccios
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