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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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den Sack auf den Tisch und stellte den Krug ab. Dann entzündete er die Kerzen, sagte etwas zu Elissa in der merkwürdig gutturalen Sprache, die sie nicht verstand, und ließ die Gefangene allein. Erst als sie einige dröhnende Herzschläge lang gewartet hatte, bis sich seine Schritte entfernt hatten, wagte Elissa schließlich, sich zu rühren. Ungeschickt – durch die Fesseln behindert – näherte sie sich dem Tisch und untersuchte vorsichtig den Inhalt des Bündels.
     
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Venedig, Militärquartier, 22. Dezember 1570
     
    Jago schäumte vor Wut. Mit aufeinandergepressten Kiefern tigerte er in seinem Quartier auf und ab, während er sich vorstellte, wie er Christoforo Moro eigenhändig erwürgte. Seit ein – in seinen Augen völlig überbewerteter – Vorfall in seinem alten Regiment vor vier Monaten seine Versetzung provoziert hatte, schien das Schicksal ihn herauszufordern. Dieser Wechsel hatte nicht nur zur Folge, dass er dem verhassten General Moro nun direkt unterstellt war. Er hatte auch dazu geführt, dass die alte Wunde mit aller Gewalt wieder aufgerissen worden war und ihn die schmerzhaften Erinnerungen übermannten. Stöhnend ballte er die Hände zu Fäusten und schlug damit gegen die Wand, da ihn der Zorn, der in ihm kochte, sonst zu einer unbedachten Handlung verleiten würde. „Moro!“, zischte er und griff nach seinem Schwert, als könne er den General an Ort und Stelle heraufbeschwören und in Stücke schlagen. Nachdem er einige Augenblicke lang bebend auf der Stelle verharrt hatte, schleuderte er die Waffe auf den Boden und warf sich auf einen Stuhl. Dann vergrub er den Kopf in den Händen und versuchte, nicht an Giulia zu denken. Die schöne, glutäugige Giulia, deren Verrat ihm immer noch das Herz aus der Brust zu reißen drohte. Giulia, die Tochter eines einfachen Beamten, die ihn angebetet hatte; die zugestimmt hatte, seine Frau zu werden und ihn somit für kurze Zeit in den siebten Himmel versetzt hatte. Giulia, die ihm mit ihren Küssen den Verstand geraubt und mit ihren Lippen die süßesten Lügen erzählt hatte! Er blinzelte, als Tränen der Wut in seinen Augen aufstiegen. Giulia, die ihn verraten hatte, kaum war dieser dreckige maurische Bock – damals selbst nichts weiter, als ein Major – das erste Mal in ihr Blickfeld spaziert! Die sich das Blaue vom Himmel hatte versprechen lassen, nur um keine drei Wochen später abgelegt zu werden wie ein alter Handschuh. Seine Giulia! Jago spuckte auf den Boden und sprang wieder auf. Giulia, die keines seiner Gefühle wert war, weil sie nichts weiter war als eine verlogene Schlange! Genau wie all die anderen schönen Frauen! Er schnaubte. Weshalb er auch, ohne mit der Wimper zu zucken, die langweilige, respektierliche Emilia geheiratet hatte, mit der er vermutlich niemals Nachwuchs zeugen würde – so sehr ödete ihre Gegenwart ihn an. Sein Blick fiel auf die zerknüllte Depesche, die er in seiner Aufgebrachtheit auf den Boden geschleudert hatte. „Moro!“, stieß er erneut hervor und verzog angeekelt das Gesicht. Diese Nachricht war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte! Nicht nur, dass dieser Hund ihn nicht einmal mehr als denjenigen erkannte, dessen Glück er gestohlen hatte; er wagte es auch noch, ihn zu übergehen! Umsonst hatte Jago die Demütigung geschluckt, dem Regiment des verhassten Mauren zugeteilt worden zu sein. Um endlich in den Rang eines Oberstleutnants erhoben zu werden, hatte er den General sogar umschmeichelt! Doch vergebens! Anstatt ihm, Jago, einem erfahrenen Kämpfer mit zahllosen Empfehlungen den Posten zu geben, hatte dieser Mistkerl Michele Cassio gewählt. Einen Theoretiker, der noch niemals ein Squadrone im Feld befehligt hatte, der nichts von der Taktik einer echten Schlacht verstand! Den jüngsten Sohn eines reichen Senators, der gerade erst das dreiundzwanzigste Lebensjahr vollendet hatte, und dessen Ruf einzig und allein auf dem Erfolg fußte, den er auf der Militärakademie errungen hatte. Jago ballte erneut mit so viel Gewalt die Fäuste, dass die Nägel sich in das weiche Fleisch seiner Handflächen gruben. Wie konnte Moro einen erfahrenen Soldaten wie ihn selbst, der auf Rhodos, Zypern und an zahlreichen anderen Orten gekämpft hatte, zugunsten eines solchen Wickelbübchens übergehen?
     
    Er biss die Zähne aufeinander und versuchte, sich zu beruhigen. Denn das Schicksal hatte ihm eine Karte in die Hand gespielt, mit der er sich für diese erneute Erniedrigung rächen konnte. Wie

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