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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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einer der kleinen Gassen ins Sonnenlicht des Campos trat, stieß er unvermittelt mit einer jungen Dame zusammen. Als sie zurücktaumelte, griff er instinktiv nach ihr, um zu verhindern, dass sie auf das harte Pflaster schlug – von der Wucht des Zusammenstoßes aus dem Gleichgewicht gebracht. Er murmelte ein erschrockenes „ Scusi “ und zog rasch die Hände von ihrer Taille zurück, als habe er sich verbrannt. Das Blut war ihr ins Gesicht geschossen, und die braunen Augen blitzten vor Zorn, doch er vermeinte, auch eine Spur Erheiterung in ihnen lesen zu können. Ihr ovales Gesicht war umrahmt von dunklen Locken, die sie kunstvoll unter einer winzigen Haube versteckt hatte. Ihre Wimpern waren lang und geschwungen, und in diesem Moment gaben sie ihren Augen einen Ausdruck, den er niemals vergessen würde. Er starrte sie an, fasziniert von ihrer trotzigen und herausfordernden Miene, während die Welt um ihn herum verblasste. „Sieh da, Francesco“, riss ihn eine bekannte Stimme in die Gegenwart zurück, und erst jetzt nahm er die anderen wahr, die diese Göttin begleiteten. „Signor Cassio.“ Er wünschte, der Boden würde sich auftun und ihn verschlingen. „General.“ Er neigte den Kopf, um die Offiziere zu begrüßen. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Augen von der bildhübschen jungen Frau abzuwenden, die – wie von Zauberei angezogen – zu ihrer zarten Gestalt zurückgewandert waren. Als er Anstalten machte, sich zu entfernen, legte Cassio ihm die Hand auf den Arm und hielt ihn zurück. Dann bedeutete er Francesco, ihm zu folgen und führte ihn ein wenig abseits, während die anderen Mitglieder der kleinen Abordnung ihnen neugierig hinterherblickten. Neben der Signorina, die er aus dem Gleichgewicht geworfen hatte, gehörte noch eine andere bildschöne Frau zu der Gruppe, aber diese war blond und blauäugig und sah, wie Francesco fand, kühl und distanziert aus. Außer den beiden Damen und seinen Vorgesetzten beäugten ihn noch ein paar männliche Bedienstete und zwei Zofen.
     
    „Würdet Ihr Eurem General einen Gefallen tun, Francesco?“, fragte Cassio den jungen Mann, der nicht genau wusste, was er erwidern sollte. „Natürlich“, gab er nach einem kaum merklichen Zögern zurück. Er mochte Christoforo Moro und bewunderte ihn für seine Tapferkeit und sein Ehrempfinden. Sein Blick wanderte von Cassio zu Moro, der sich von der kleinen Gruppe löste und auf die Stelle zusteuerte, zu der Cassio Francesco geführt hatte. Der General streckte dem Jüngeren die Hand entgegen, und Francesco umschloss – tief geehrt von der Geste – seine kräftigen Finger. „Francesco“, hub der General an, wobei seine Augen nervös zu der Gruppe der Wartenden zurückwanderten. „Ich muss Euch um einen Gefallen ersuchen.“ Er zögerte kaum merklich, und Francesco gewann den Eindruck, dass Moro ihn nur anging, weil er keine andere Wahl hatte. „Ich werde morgen heiraten“, fuhr der General fort. „Und“, er seufzte tief, „der Mönch sagte, ohne einen weiteren Trauzeugen wäre dies nicht möglich.“ Francesco ließ den Atem, den er instinktiv angehalten hatte, aus seinen Lungen entweichen. Darum ging es also! Aber bedeutete das etwa …?
     
    Ein heißer Stachel der Eifersucht fuhr ihm in den Magen. Sollte er dieses göttergleiche Geschöpf etwa ebenso schnell verlieren, wie er es gefunden hatte? Er riss sich mühsam zusammen. „Es wäre mir eine Ehre, Euer Trauzeuge zu sein“, log er und zwang sich zu einem Lächeln, während sein Herz vor Nervosität raste. „Welche der Damen ist denn die glückliche Braut?“, fragte er scheinbar gleichgültig. Moro nickte geistesabwesend, drückte noch einmal seine Hand und kehrte zu den wartenden Damen zurück, ohne die Frage zu beantworten. Francesco blickte Cassio fragend an, der ihm mit einem schelmischen Zwinkern zuraunte: „Desdemona, die Blonde.“ Francesco schwanden vor Erleichterung beinahe die Sinne. Obschon er das Mädchen, mit dem er zusammengeprallt war, nicht kannte, wusste er doch, dass es sie war oder keine! Es war beinahe gewesen, als ob flüssiges Feuer durch seine Adern geschossen wäre, als sie trotzig den Kopf zurückgeworfen und ihn tadelnd gemustert hatte. Er musste sie wiedersehen, koste es, was es wolle! Und wie es schien, hatte das Schicksal ihm soeben einen Weg dazu eröffnet. Nachdem er all die notwendigen Einzelheiten mit Cassio durchgegangen war, verabschiedete er sich von der Gruppe, wobei er ein letztes Mal verstohlen die Züge seiner

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