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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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fatal für den General, dass er nach dem Kirchgang am Sonntag hatte austreten müssen und daher den Schutz eines Gässchens hinter San Marco gesucht hatte. Ein hässliches Lächeln huschte über sein Gesicht. „Francesco!“, brüllte er.
     
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    Francesco eilte an der Uferbefestigung des Canal Grande entlang, den Brief, den Jago ihm anvertraut hatte, fest umklammert. Er war beunruhigt. Ein Blick in das Gesicht seines Vorgesetzten hatte genügt, um zu erkennen, dass Jago nichts Gutes im Schilde führte. Seine dunklen Augen hatten vor Hass geglüht, und sein dünnlippiger Mund hatte einen noch grausameren Zug angenommen als sonst. Francesco war nicht besonders erbaut darüber gewesen, dass man ihn Jagos Regiment zugeteilt hatte, doch als junger Soldat frisch von der Akademie hatte er nicht viel Auswahl. Bevor er in sechs Jahren, wenn er fünfundzwanzig wurde, dem Großen Rat beitreten konnte, musste er militärische Erfahrungen sammeln und sich im Feld auszeichnen. Jagos Ruf eilte ihm voraus, und seine Kameraden hatten ihn bemitleidet, als sie gehört hatten, unter welchem Offizier Francesco als Adjutant würde dienen müssen. Jago war als ein harter und unnachgiebiger Charakter bekannt, der keinen – noch so kleinen – Fehler vergab.
     
    Francesco hatte keine Augen für die prächtigen Palazzi zu beiden Seiten und tauchte in eine der engen Gassen ein, um eine Abkürzung zu Signor Rodrigos Casa zu nehmen. Vorbei an knorrigen Zypressen und hohen Gebäuden erreichte er schließlich eine kleine rote Brücke über einen schwachen Seitenarm des Canal. Auf beiden Seiten der Wasserstraße waren farbenprächtig geschmückte Gondole vertäut, und er vernahm das laute Kreischen von Kindern, die in den Hinterhöfen herumtollten. Schließlich, nachdem er ein weiteres Dutzend Ecken umrundet hatte, erreichte er die eindrucksvolle, weiß getünchte Fassade des Gebäudes, an dessen Außenseite ein Treppenhaus verlief, das drei Loggie – von Bögen umrahmte Balkone – miteinander verband. Hoch über ihm, direkt unter dem ausladenden Dach, hatten die Frauen aus Rodrigos Haushalt die Wäsche zum Trocknen aufgehängt. Die unzähligen kleinen Fensterchen, die die makellose Fassade des Palazzo unterbrachen, waren byzantinisch gehalten, und die Bögen, die sie überspannten hatten die Form von spitzen Blumenblüten. Mit einem letzten neugierigen Blick auf den versiegelten Brief in seiner Hand betätigte Francesco den massigen Türklopfer.
     
    Während er darauf wartete, dass ein Bediensteter die Tür öffnete, betrachtete er sein zu einer bizarren Grimasse verzerrtes Spiegelbild in der Oberfläche des metallenen Klopfers. Seine für gewöhnlich gerade Nase erinnerte an eine Rübe, und sein schmales Gesicht mit den vorstehenden Wangenknochen hatte Ähnlichkeit mit einem Kürbis. Er musste sich ein leises Lachen verkneifen. Gerade als er der Versuchung nachgeben wollte, dem eigenen Spiegelbild die Zunge herauszustrecken, um den komischen Effekt zu bewundern, wurde die Tür von einem steifen alten Diener in einer makellosen Livree geöffnet, der mit nasaler Stimme fragte: „Wie kann ich Euch helfen, Signore ?“ Francesco neigte den Kopf und erwiderte: „Ich habe eine Nachricht für Signor Rodrigo.“ Als der Diener fragend die Augenbraue hob, fügte er hinzu: „Von Signor Jago.“ Der Mann streckte ihm die mit Altersflecken übersäte Hand entgegen. „Ihr könnt sie mir geben. Der Signore ist zurzeit beschäftigt.“ Francesco wusste nicht, ob er froh darüber sein sollte, Rodrigo, den er nicht ausstehen konnte, nicht begegnen zu müssen, oder ob er über das herablassende Verhalten des Dieners erbost sein sollte. Er starrte den Mann an, dessen Miene bis auf das Beben seiner gepuderten Wangen ausdruckslos war. Schließlich hob er die Schultern und übergab dem alten Diener die Nachricht. Dieser verneigte sich und schlug ihm, ohne ein weiteres Wort, die Tür vor der Nase zu.
     
    Leise fluchend wandte Francesco dem Palazzo den Rücken und steuerte auf den Campo San Salvatore zu , der sich ungefähr hundert Schritte zu seiner Rechten erstreckte. Er war in der Nachbarschaft aufgewachsen, und er liebte den kleinen Platz und die Ruhe und den Frieden des Augustinerklosters. Die prachtvolle Kirche mit dem wundervollen Altar war als Knabe eine seiner Zufluchtsstätten gewesen. Er hatte sich oft im Innern versteckt, wenn er sich mit seinem älteren Bruder gestritten hatte, und den Chorknaben zugehört. Als er aus der Dunkelheit

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