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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Nebenzimmer des Sagittars versammelt, plauderten und lachten fröhlich. Das frisch vermählte Paar saß am Kopf der langen Tafel, kaum dazu in der Lage, die Augen voneinander zu lassen. Desdemona wirkte beinahe überirdisch schön in dem Hochzeitskleid, das eine ihrer treu ergebenen Zofen heimlich für sie geschneidert hatte. Es war furchtbar schwer gewesen, die teuren Stoffe unter den wachsamen Augen ihrer Mutter ins Haus zu schmuggeln, doch die Zofen und Diener hatten sich dazu verschworen, der liebreizenden Tochter ihres Herrn zu helfen.
     
    Angelina hatte neben ihrer Schwester Platz genommen, schräg gegenüber dem Mann, der sie in mehr als einem Sinne des Wortes aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Der junge Adjutant, der sich als Francesco di Lamone vorgestellt hatte, saß zu Cassios Rechten, und das Fenster mit den roten und gelben Bleiglasscheiben hinter ihm unterstrich seine männliche Gestalt. Während sie vorgab, die schmackhafte Fischsuppe zu genießen, ließ Angelina die Augen verstohlen zu ihm hinüberwandern. Er hatte ein gut geschnittenes Gesicht mit einer geraden Nase und vorstehenden Wangenknochen. Seine braunen Augen mit den langen, schwarzen Wimpern blickten sanft und ehrlich, doch sie war überzeugt, dass er nicht nur gutmütig, sondern auch streng und hart sein konnte. Seine starke Kinnlinie ließ vermuten, dass er ebenso starrköpfig war wie sie selbst, und irgendwie reizte Angelina die Vorstellung, ihn zu zähmen, die Oberhand über ihn zu gewinnen und ihn dazu zu bringen, das zu tun, was sie sich wünschte. Sein Blick war abgewandt und so hob sie die niedergeschlagenen Augen und ließ sie ohne Scham den Halsausschnitt entlang zu seiner Brust hinabgleiten.
     
    Genau wie die anderen Männer an der langen Tafel trug er ein ärmelloses über einem prunkvolleren langärmeligen Wams sowie knielange Hosen. Sie hatten Mäntel und Hüte bei ihrer Ankunft abgelegt und in der kleinen Kammer neben der Eingangshalle verstaut. Da es recht warm war in dem gut geheizten Nebenzimmer, hatte Francesco die obersten beiden Knöpfe seines Hemdes geöffnet, sodass Angelina einen Blick auf seine bronzefarbene Haut erhaschen konnte. Anders als die meisten anderen Männer trug er sein Haar kurz, was die Form seines Kopfes betonte. Ein kurz gehaltener Bart bedeckte seine Wangen, und Angelina vermutete, dass er einer der vielen Soldaten war, die sich täglich rasierten, wenn sie – weit weg von den Modezwängen Venedigs – in die Schlacht zogen. Sie hatte von einem Freund ihres Vaters gehört, dass die Soldaten es vorzogen, glatt rasiert zu sein, da sich so vermeiden ließ, dass sich während eines Feldzuges Ungeziefer in den langen Barthaaren einnistete. Ein Schauer war ihr über den Rücken gelaufen, als sie sich vorgestellt hatte, wie kleine Käferchen aus bärtigen Gesichtern krabbelten.
     
    Gerade als sie seine breiten Schultern und die Muskeln bewunderte, die unter dem Hemd spielten, wandte er den Kopf und ertappte sie dabei, wie sie ihn unverhohlen anstarrte. Einen Atemzug lang trafen sich ihre Augen, und sie bemerkte, wie sich ein Lächeln auf sein Gesicht stahl, ehe ihr heiße Röte in die Wangen schoss. Es war, als ob die Hitze, die von dem Kamin in ihrem Rücken ausging, plötzlich über ihren ganzen Körper schwappte. Hastig wandte sie den Blick ab und zwang sich dazu, die duftende Fischsuppe zu fixieren, die vor ihr stand. Obgleich ihre eigene Unverfrorenheit sie etwas erschreckte, durchfuhr eine seltsam angenehme, prickelnde Scham ihren Körper.
     
    Als sich die Nacht vor den farbenfrohen Fenstern über die Stadt senkte, spürte Angelina, dass der Wein, den sie getrunken hatte, sie leicht besäuselte. Sie hatte nicht gezählt, wie viele Male das Mädchen ihren Pokal mit dem süßen, schweren Weißwein nachgefüllt hatte, der wie Öl durch die Kehle rann. Und langsam, aber sicher begann sich ihr Kopf zu drehen. Die Luft war heiß und stickig, und die Melodien, welche die Musiker spielten, waren schneller und ausgelassener geworden, je weiter der Nachmittag fortschritt. Die Gäste hatten begonnen zu tanzen, und Angelina fragte sich, wo auf einmal all die Frauen herkamen, die mit den Männern des Generals in mehr oder weniger anzüglicher Manier die alten, hölzernen Dielen auf und ab hopsten. Eine von ihnen hob während einer Drehung weit genug den Rock, dass Angelina das Aufblitzen ihres nackten Beines im Licht der vielen Kerzen sah, als sie um die ausgestreckte Hand ihres Kavaliers

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