Die Töchter der Lagune
und begannen, ihn auf die Tür zuzutreiben.
Ehe er die Zelle wieder verließ, trat der Kapitän zu Elissa und hob ihr Kinn, um ihr Gesicht zu begutachten. Scheinbar zufrieden, dass sie sich keine bleibenden Verletzungen zugezogen hatte, sprach er sie in gebrochenem Italienisch an. „Er wird bestraft. Er wird meine Ware nicht noch einmal belästigen.“ Er lachte freudlos, als er den schockierten Ausdruck auf ihrem Gesicht sah. „Zieh dir ein anderes Kleid an, damit du nett aussiehst, wenn wir in Smyrna ankommen.“ Dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort von ihr ab und verließ die Kajüte.
*******
Venedig, Dogenpalast, 24. Dezember 1570
Wie so oft seit Beginn des Krieges auf Zypern war der Doge in Sorge. Er hatte Nachricht von seinen Spionen erhalten, dass Mustafa Pascha zwanzig großen Kriegsschiffen mit über dreitausend Infanteristen, Proviant, schwerer Artillerie und anderen Waffen an Bord den Befehl gegeben hatte, Anker zu lichten und nach Famagusta zu segeln. Den Berichten zufolge hatte der Pascha selbst vor, mit weiteren Männern und den gefürchteten Janitscharen über Land nach Syrien zu marschieren. Von dort aus würde er nach Zypern aufbrechen und somit die längere und gefährlichere Überfahrt durch das Marmarameer und die Ägäis vermeiden. Die Verhandlungen mit der päpstlichen Liga waren fruchtlos im Sande verlaufen, da keiner der anderen Mitgliedsstaaten gewillt war, die Venezianer in ihrem Kampf gegen die osmanischen Eindringlinge zu unterstützen. Der Doge vermutete, dass die meisten der Mitglieder der Liga sich insgeheim die Hände rieben, da sie dem verhassten Widersacher die Bedrohung an den Hals wünschten.
Er saß in einem seiner Privatgemächer im zweiten Stock des Dogenpalastes, dem Sala degli Scudieri , der wie all die anderen Räume in diesem Gebäude mit prächtigen Freschi geschmückt war. An diesem Abend hatte er jedoch keine Augen für die Schönheit des Deckengemäldes. In seinem Rücken tanzte ein heiteres Feuer im Kamin, doch die Wärme schien den Tisch, an dem er mit seinen beiden Inquisitori Platz genommen hatte, nicht zu erreichen. Der fünfarmige Silberleuchter mit den tropfenden Kerzen aus Bienenwachs, die einen schweren Duft verbreiteten, warf sein warmes Licht auf den Stapel an Papieren, die sich im Lauf der vergangenen Tage angesammelt hatten. Die Gesichter an dem langen, kostbaren Eibenholztisch waren von Sorge und unzähligen schlaflosen Nächten gezeichnet. Und obschon die Räume bereits für das bevorstehende Weihnachtsfest geschmückt waren, war keiner von ihnen in der Stimmung zu feiern.
„Wir hätten auf Moro hören sollen“, sagte der Doge bedächtig. „Er ist unser erfahrenster General, und er hat die Situation von Anfang an richtig eingeschätzt.“ Er seufzte und kratzte sich am Kopf, der unter der engen Kappe anfing zu jucken. Einen Augenblick lang war nichts anderes zu hören als das Knistern des Buchenfeuers und der pfeifende Atem von Andrea, dem alten Inquisitore zu seiner Rechten. „Ja“, hub dieser an, „aber wir haben die Angelegenheit dem Senat unterbreitet und die Mitglieder abstimmen lassen.“ Er hielt inne, um nach Luft zu ringen. Seine Atembeschwerden schienen sich während dieses kalten und feuchten Winters verschlimmert zu haben. „Das haben wir“, stimmte Mario, das dritte Mitglied des Triumvirates, zu. „Aber die letzte Entscheidung lag bei uns“, erinnerte er sie. Sie waren gezwungen gewesen, eine Entscheidung zu treffen, da der Senat geteilter Meinung gewesen war. Die Hälfte der Mitglieder hatte der belagerten Stadt zur Hilfe eilen wollen, die andere Hälfte hatte gehofft, dass die Verhandlungen mit ihren Alliierten zu einer Lösung führen würden.
Der Doge seufzte und erhob sich ächzend. „Lasst uns eine weitere Versammlung einberufen“, schlug er vor und winkte einen der Wächter, die sich links und rechts der Tür postiert hatten, zu sich herüber. „Nimm ein paar Männer und lauf zu den Militärquartieren“, befahl er dem Mann. „Wecke Cassio und sage ihm, er soll dem General mitteilen, dass er in einer dringenden Sitzung benötigt wird.“ Als die Wache den Raum verlassen hatte, läutete der Doge ein kleines, silbernes Glöckchen, das vor ihm auf dem Tisch stand. Kaum war das Geräusch verklungen, als sich die Tür öffnete und sein Kammerherr eintrat, der die Häupter der Republik mit einer tiefen Verbeugung begrüßte. „ Signore. “ Der Doge nickte kurz und befahl seinem
Weitere Kostenlose Bücher