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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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festnehmen zu lassen, gewarnt hatte. „Es ist besser, wie es ist“, seufzte er. Er wünschte, er hätte den alten Senator selbst von ihrem ungeheuerlichen Akt des Ungehorsams in Kenntnis setzen können, vielleicht hätte dieser ihnen dann sogar verziehen. Doch nicht in seiner Hochzeitsnacht!
     
    Er zog den eilig übergeworfenen Mantel enger um die Schultern. „Aber sagt mir, General“, unterbrach Jago seine Gedanken. „Seid Ihr vor dem Gesetz vermählt? Denn Ihr könnt Euch dessen gewiss sein, dass der Magnifico alles in seiner Macht Stehende unternehmen wird, um Euch entweder geschieden oder streng bestraft zu sehen.“ Christoforo hob gleichgültig die Schultern. „Lasst ihm seine Bitterkeit.“ Es war ihm egal. Die Dienste, die er der Republik und dem Senat bisher erwiesen hatte, würden diese unbedeutende, private Streiterei mehr als aufwiegen. Und selbst wenn er gezwungen sein sollte, sich in einer Ratsversammlung zu verteidigen, so würde er sich nicht scheuen, die Versammelten an seine Taten zu erinnern. Er hielt Jagos fragenden Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. „Wisst Ihr, Jago, wenn ich Desdemona nicht von ganzem Herzen lieben würde, hätte ich niemals meine unbeschränkte Freiheit aufgegeben.“ Viel zu lange hatte er die Vorzüge des unverheirateten Lebens genossen. Doch für Desdemona hätte er frohen Mutes allem, was er besaß, abgeschworen. Die Erinnerung an ihren nackten Körper ließ sein Blut erneut in Wallung geraten. Er biss die Zähne zusammen und unterdrückte einen Schauer der Lust.
     
    „Seht Ihr die Fackeln?“ Jago wies auf das Ende der engen Gasse, die sich zum Gasthof hinaufschlängelte, und auf der sich ihnen ungefähr zwei Dutzend Männer näherten. „Das müssen Brabantio und seine Wachen sein“, warnte er. „Ihr solltet besser wieder hineingehen.“ Christoforo Moro schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ich werde mich nicht verstecken!“ Er straffte die Schultern und machte sich bereit, dem Zorn des hintergangenen Vaters entgegenzutreten.
     
    *******
     
    Francescos Aufregung nahm mit jeder Sekunde zu. Ein von Cassio geschickter Bote hatte ihn aus seinen unruhigen Träumen aufgeschreckt, in denen die unaussprechlichsten Dinge passiert waren. Bis in die frühen Morgenstunden hatte er in dem überheizten Nebenzimmer des Sagittar gesessen und sich mit Angelina unterhalten. Und als er sie schließlich den beiden Dienern hatte überlassen müssen, die sie nach Hause geleiteten, hatte er ihre Abwesenheit beinahe wie einen körperlichen Schlag empfunden. Es war ihm ohnehin schwergefallen, sich auf die neckende Konversation zu konzentrieren, in die sie ihn verwickelt hatte, nachdem sie sich von dem schweren Wein erholt hatte. Da es ihm fast unmöglich erschienen war, die Augen von ihren formvollendeten Lippen abzuwenden, welche die Worte, die sie formten, zu liebkosen schienen. Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt und seine Handflächen waren feucht geworden, als sie ihn zum Abschied geküsst hatte. In Gegenwart der Bediensteten hatte sie seine Wange zwar nur mit den Lippen gestreift, doch die Berührung ihrer Haut hatte ihm beinahe die Sinne geraubt. Wie sehr er sich danach sehnte, sie wiederzusehen! Ihren entzückend rebellischen Ansichten über die Liebe und das Recht einer jungen Frau, den Mann ihrer Träume zu wählen, zu lauschen. Es würde ihm ein Vergnügen sein, mit ihr zu streiten, sie herauszufordern, bis sie ihr hübsches Gesichtchen missfällig verzog, und dann die Zornesfalte zwischen ihren dünnen, schwarzen Augenbrauen fortzuküssen und sie um Vergebung zu bitten.
     
    Doch die Chancen, dass er seine Madonna jemals wiedersehen würde, waren soeben dramatisch gesunken. Der Doge verlangte Christoforo Moros Gegenwart in einer übereilt einberufenen Notfallsitzung des Senates. Augenscheinlich waren schlechte Nachrichten aus Zypern eingetroffen. Und als er im Gleichschritt mit den anderen Soldaten marschierte, deren schwere Tritte von den Wänden der verschlafenen Gässchen widerhallten, versuchte Francesco, sich die Auswirkungen auszumalen, die diese Neuigkeiten haben könnten. Zwei einsame Gestalten standen halb verborgen im Schatten des dunklen, dreistöckigen Gebäudes des Sagittars . Als sich seine Gruppe ihnen näherte, erkannte Francesco zu seinem Erstaunen, dass es sich bei den Männern, die sie mit Spannung zu erwarten schienen, um den General und Jago handelte. „Cassio! Was gibt es?“, wandte sich Christoforo in einem seltsamen Tonfall an ihren

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