Die Töchter der Lagune
zusammengebissene Zähne die Luft ein. Kaum war die Salbe jedoch auf der Wunde verteilt, legte sich der pochende Schmerz, und ihr Gesäß schien auf die normale Größe zu schrumpfen. Nachdem das Mädchen in dem blauen Kaftan die kleine Schale zurück auf den Boden gestellt hatte, schnitt es mit einer Schere ein weiches Tuch entzwei und legte die Bandage auf die wunde Stelle. „Es wird ein oder zwei Tage dauern, dann hast du es vergessen.“
Eine weitere Frau mit einer flachen Schüssel parfümierten Wassers hatte die Kammer betreten. „Wir müssen dich noch einmal säubern“, verkündete das blau gewandete Mädchen. „Ganz vorsichtig“, setzte sie hinzu, als sie Elissas entsetzten Gesichtsausdruck sah. Langsam und äußerst sanft wuschen die beiden Mitglieder des königlichen Harems mit weichen Handschuhen den Schweiß von Elissas Körper. Als sie damit fertig waren, verschwand eine von ihnen durch den Vorhang, und die andere bat Elissa, aufzustehen. Ein kostbares Seidengewand lag auf einer der niedrigen Bänke bereit, welche die Kammer säumten, und das Mädchen wies Elissa an, es anzulegen. Seine Träger waren so dünn, dass sie beinahe unsichtbar wirkten, und der Ausschnitt bedeckte kaum Elissas Brust. Sein satter pfirsichfarbener Ton passte perfekt zu ihrer bronzenen Hautfarbe und dem hellblonden Haar. Da sie sich davor fürchtete, was geschehen mochte, wenn der fein gewobene Stoff ihr Brandmahl berührte, zog Elissa es mit größter Vorsicht über die Hüften. Die Salbe hatte den Schmerz jedoch beinahe ganz aufgenommen, und nichts geschah, als die weiche Seide flüsternd über den Verband auf ihrer Rückseite glitt.
„Ich werde dich zu deiner Kammer bringen.“ Die junge Frau im blauen Kaftan duckte sich durch die niedrige Tür und wandte sich sofort nach rechts, um in einen langen Bogengang einzutauchen. Strahlendes Sonnenlicht, das durch die hohen, verschnörkelten Arkadenfenster fiel, malte blumige Muster auf die makellos sauberen Fliesen. Zu ihrer Rechten erstreckte sich ein üppiger Garten, der mit wasserspeienden Statuen übersät war, die sich in ausladenden Brunnenbecken tummelten. Gruppen von Frauen in herrlich farbenprächtigen Gewändern saßen plaudernd zusammen oder – die lebhafteren von ihnen – spielten ein heiteres Ballspiel. Eine hohe, von wilden Rosen umrankte Mauer markierte die Grenze des Bereiches, der von mehreren, Respekt einflößenden Bewaffneten gesichert wurde. „Die Eunuchen bewachen den gesamten Harem “, unterrichtete das Mädchen, welches sich als Gümüs vorgestellt hatte, Elissa. Die breitschultrigen Männer hatten dem Innenbereich des Harems den Rücken gekehrt, beinahe als fürchteten sie, die Damen mit ihren Blicken zu entehren. Alle Harems mitglieder trugen Gömlek – fein gewirkte Hemden – unter ihren bunten Kaftanen, und ihre Köpfe wurden von Peçe – dünnen Tüchern – bedeckt, die von prachtvoll bestickten Stirnbändern festgehalten wurden. Einige von ihnen hatten sogar den Yasmak angelegt – einen Schleier, der aus zwei Teilen bestand, von denen einer unterhalb der Nase über das Gesicht gezogen wurde, der andere über die Stirn fiel. Verglichen mit ihnen, fühlte Elissa sich schamhaft unbekleidet in ihrem dürftigen Gewand. „Das sind die älteren Gemahlinnen unseres Herrschers“, sagte Gümüs. „Sie achten sehr streng auf ihre Verschleierung.“ Sie lachte glucksend. „Wir jüngeren Frauen nehmen es damit nicht ganz so genau.“ Elissa verstand. Neslihan hatte ihr an Bord des Schiffes die grundlegenden Regeln des Harems erklärt: Dem Sultan auffallen, zur Bettgefährtin erkoren werden und ihm einen Sohn gebären. Elissa schauderte, als sie an die Bedeutung dieser Worte dachte.
Sie betraten das Hauptgebäude durch eine zwiebelförmige Doppeltür. Im Inneren herrschte ein schummriges Dämmerlicht, da die hohen, von Holzgittern verdeckten Fenster beinahe alles Licht schluckten. Der Boden bestand aus weißem Marmor, der von braunen und bläulichen Adern durchzogen war. Die Sohlen ihrer Samtpantoffeln verursachten darauf ein dumpfes Geräusch. Die Eingangshalle war spärlich möbliert, und die Augen des Besuchers wurden von einem prunkvollen Kronleuchter und erstaunlichen Wand- und Deckenfresken angezogen. „Hier entlang“, drängte Gümüs, als Elissa innehielt, um trotz aller Furcht die Gemälde zu bestaunen, und zog sie an der Hand in die Tiefe des gewaltigen Gebäudekomplexes. „Du bist jetzt Eigentum des Sultans“, bemerkte
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