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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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jungen Adjutanten Francesco auf halbem Weg getroffen und nach einer Erklärung für den Aufruhr verlangt. Die Kämpfer wurden noch von der dicken Mauer verborgen, doch ihre heiseren Wutschreie drangen durch die Nacht. Francesco hob die Schultern. „Ich weiß es nicht, General“, erwiderte er, während er Christoforo nacheilte. Als sie um die Ecke bogen, zog Christoforo bei dem Anblick, der sich seinem entrüsteten Blick bot, scharf die Luft ein. Sein Stellvertreter hieb wie rasend auf Marcantonio Bragadin ein, der aus einer tiefen Wunde am Oberschenkel und mehreren Verletzungen an der Brust blutete. „Haltet sofort ein, wenn Euch Euer Leben lieb ist!“, donnerte Christoforo und fasste Bragadin grob bei der Schulter. „Leutnant, Signore , haltet ein!“ Jago bemühte sich, den erzürnten Cassio zu bändigen, dessen Gesicht von Rachedurst entstellt war. „Lasst mich los!“, zischte dieser und versuchte, sich aus dem schraubstockartigen Griff des Majors zu befreien. Christoforo bellte einen Befehl und wies zwei seiner Männer an, sich um den verwundeten Bragadin zu kümmern, der wild um sich schlug und verzweifelt versuchte, sich aus dem Griff des Generals zu befreien. Mit entschlossener Miene zog dieser sein Rapier, das gefährlich flüsterte, als es die kostbare Scheide entlangglitt. „Derjenige, der sich als Nächster rührt, um seine Wut zu befriedigen, stirbt auf der Stelle“, knurrte Moro durch zusammengebissene Zähne, während über ihren Köpfen immer noch die grelle Alarmglocke kläffte. „Und jemand soll diese verdammte Glocke zum Schweigen bringen! Sie versetzt noch die ganze Insel in Furcht und Schrecken.“ Mit einer Handbewegung bedeutete er drei weiteren Soldaten, die Kampfhähne zu entwaffnen und ihnen die Schwertarme auf den Rücken zu zwingen. Ein Schmerzensschrei kam über die Lippen des verwundeten Luogotenente , als er sich vorbeugte, um die feurigen Stiche in seiner misshandelten Schulter zu lindern.
     
    „Jago“, Christoforo wandte sich dem Major zu. „Wer hat diesen Streit begonnen?“ Jago, der von Cassio zurückgetreten war, scharrte unangenehm berührt mit den Füßen. Dies war der alles entscheidende Moment! Es war unabdingbar für den weiteren Erfolg seines Planes, dass der General ihm die Charade, die er gleich aufführen würde, abkaufte. „Ich weiß es nicht“, erwiderte er, wobei er seiner Stimme einen verzweifelten Ton verlieh. „Wir haben alle fröhlich zusammen gefeiert, kurz bevor dieser blutige Streit entbrannte. Ich kann Euch nicht sagen, wie es dazu kam.“ Zurückhaltung, die Weigerung, andere zu verraten – das alles war Teil des genialen Schachzuges, der langsam vor seinem inneren Auge Gestalt annahm.
     
    Stirnrunzelnd wandte Christoforo sich an Cassio. „Cassio, wie konntet Ihr Euch so vergessen?“ Cassio hob den Kopf, den er vor Scham gesenkt hatte. Er war betrunken gewesen. Er hatte zugelassen, dass ihn ein Niemand provozieren und dazu verleiten konnte, die Fassung zu verlieren. Schlimmer noch, er hatte einen der Eigenen angegriffen! Das war unverzeihlich! „Ich kann nichts dazu sagen“, murmelte er, wobei er den Blick fest auf einen Punkt hinter Christoforo Moros linkem Ohr heftete. Schnaubend wirbelte dieser herum und näherte sich dem stöhnenden Bragadin. „Marcantonio?“, forderte er. „Christoforo“, keuchte der Luogotenente , die Worte vor Schmerz abgehackt. „Ich bin verwundet. Jago kann Euch alles Nötige berichten.“ Er hielt inne, um einen tiefen Atemzug zu nehmen. „Ich bin schuldig, wenn es ein Verbrechen ist, sein Leben zu verteidigen.“ Mit diesen Worten brach er in den Armen des Soldaten, der immer noch seinen Schwertarm umklammert hielt, zusammen.
     
    „Um Himmels willen!“, fluchte Christoforo und fuhr erneut herum. „Ich verliere langsam die Geduld! Wenn ich nicht augenblicklich eine Antwort auf meine Frage bekomme, werden hier Köpfe rollen!“ Seine Brust hob und senkte sich heftig, und die Hand, die das Schwert hielt, zitterte leicht. „Wie hat dieser Streit begonnen?“ Er wandte sich erneut an Jago. „Es ist ungeheuerlich! Dies ist eine belagerte Stadt. Die Menschen fürchten sich bereits genug. Und dann fechten diejenigen, die sie beschützen sollen, nachts private Kämpfe aus! Jago, wer hat angefangen?“ Christoforos Nasenflügel blähten sich bei jedem Atemzug, den er ausstieß. Jago seufzte. „Ich würde mir lieber die Zunge herausschneiden lassen, als Cassio unrecht zu tun“, hub er an und rieb nervös die

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