Die Töchter der Lagune
ebenmäßigen Haut, unter der stählerne Muskeln spielten, waren die hellen Narben. Er lachte leise, stahl ihre Hand von seiner kitzligen Lende fort und küsste ihre zarten Fingerspitzen. „Du solltest dich selbst sehen!“, murmelte er bewundernd. Auf die Ellenbogen gestützt beobachtete er, wie das Flackern der Flammen Muster aus Licht und Schatten auf ihren weißen Körper zauberte. Noch niemals zuvor hatte er etwas derart Reines und Unschuldiges gesehen wie seine Gemahlin. Mit ihren blonden Locken und blauen Augen erinnerte sie mehr an ein himmlisches Wesen als an eine Frau aus Fleisch und Blut. Als er über ihre weiche Flanke strich, schoss ihm das Blut erneut in die Lendengegend. Sobald Desdemona sah, was geschah, kicherte sie. „Du bist unersättlich, mein Liebster“, neckte sie ihn.
Ehe sie jedoch Vorteil aus Christoforos Standvermögen ziehen konnten, wurden sie vom durchdringenden Läuten einer Alarmglocke aufgeschreckt. „Was ist das?“, fragte Christoforo stirnrunzelnd. Griff der Feind an? Mit einem enttäuschten Seufzer hievte er sich aus dem Bett und las eilig seine Kleider vom Boden auf. Während er sie mit fliegenden Fingern überstreifte, war er bemüht, den Blick von der verführerischen Blöße seiner Gemahlin abzuwenden. Die Pflicht rief! Und wie sehr er Desdemona auch liebte und begehrte, die Pflicht würde immer an erster Stelle stehen. Nachdem er sein Wams geschnürt hatte, gürtete er das prachtvoll gearbeitete Schwert und hauchte ihr einen Kuss aufs Haar. „Ich bin bald zurück“, versprach er. Enttäuscht blickte sie ihm nach, als er die Tür hinter sich ins Schloss zog.
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Angelina hatte sich hinter einer der dicken Säulen im Gang vor der Kammer ihrer Schwester verborgen. Als Christoforo die Treppen hinunter verschwunden war, stob sie den verwaisten Korridor entlang und klopfte an die schwere Tür. Sie war vom Klang der Alarmglocke aus dem Schlaf gerissen worden und hatte sich gefragt, was wohl geschehen sein mochte. Da sie befürchtete, dass die Feinde die Stadt angriffen, war es ihr nicht gelungen, wieder einzuschlafen. Francesco war dort draußen! Sie hatte sich bis zu halber Höhe den Hauptturm hinaufgestohlen und in den Hof hinabgeblickt. Kein Anzeichen eines Ansturms von außen; allerdings hatte sie zu ihrer Rechten erregte Stimmen und das Klirren von Eisen vernommen. Unglücklicherweise versperrten ihr die dicken Mauern des trutzigen Burgfriedes den Blick.
Sie hämmerte erneut gegen das Holz. „Wer ist da?“, hörte sie Desdemona gedämpft fragen und antwortete. Schließlich, nach scheinbar endlosen Augenblicken des Zitterns in der kalten Nachtluft, entriegelte Desdemona die Tür und steckte ihren zerzausten Schopf durch den Spalt. „Angelina, was tust du hier?“, rief sie erstaunt aus. Ihre Schwester drängte sich an ihr vorbei und steuerte auf den offenen Kamin zu. „Ah“, seufzte sie selig, während sie die kalten Hände an den Flammen wärmte, die fröhlich über die knisternden Kiefernscheite züngelten. Mehrere Herzschläge lang sprach keines der Mädchen ein Wort. Als ihr die steifen Hände schließlich wieder gehorchten, wandte sich Angelina um und blickte ihrer Schwester ins Gesicht. „Was ist geschehen?“, erkundigte sie sich, und ihre Augen weiteten sich vor Sorge. „Francesco hat heute Nacht Wachdienst!“ Desdemona schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Christoforo hat den Alarm gehört und ist dabei herauszufinden, was vorgefallen ist.“ Sie seufzte. Angelina folgte ihrem verträumten Blick, der zum Bett gewandert war, und lachte. „Wie war es?“, fragte sie mit schamloser Neugier. „Angelina!“, schalt ihre Schwester mit vorgetäuschter Entrüstung. Dann lächelte sie glücklich und sagte: „Wundervoll!“
Da jedoch die schrille Glocke immer noch durch die Nacht gellte, wurden die Mädchen rasch wieder ernst. „Lass uns auf den Turm steigen und herausfinden, was passiert ist“, schlug Angelina vor. Im oberen Teil des Burgfriedes der Zitadelle befand sich eine kleine Kammer, die niemand bewohnte. Auf ihrem Erkundungsausflug am vergangenen Tag hatte Angelina herausgefunden, dass sie mit allerlei alten, staubigen Möbeln und zerbrochenem Gerümpel vollgestopft war. Von dort oben würde es ihnen möglich sein, zu sehen, was im Hof geschah.
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Zypern, vor der Zitadelle, Januar 1571
„Was ist hier los?“ Christoforo Moros ruhiges Gesicht vermochte kaum, seinen Ärger zu verbergen. Er hatte den
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