Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
die Wogen zu glätten, und er gehört wieder ganz Euch!“
     
    Cassio schüttelte heftig den Kopf. „Aber ich habe es nicht anders verdient!“, stieß er gepresst hervor. „Er muss solch maßlose Trunkenheit verabscheuen!“ „Seid kein Narr“, versuchte Jago, ihn zu beruhigen. „Ich bin sicher, der Kerl, der Euch angegriffen hat, wird bald ergriffen. Dann könnt Ihr ihn befragen, und Eure Geschichte wird bestätigt werden.“ Ein weiteres qualvolles Stöhnen entrang sich Cassios Kehle. „Aber ich kann mich ja nicht einmal an sein Gesicht erinnern! Es war zu dunkel und ich war nicht ich selbst.“ „Hmmm.“ Jago strich versonnen über seinen Spitzbart und gab vor, sich das Gehirn nach einer Lösung dieses verzwickten Dilemmas zu zermartern. „Ich werde Euch sagen, was Ihr tun solltet.“ Er packte den anderen am Arm und zog ihn auf die Beine, wobei er ihm mit einer herzlichen Geste auf den Rücken drosch. „Die Gemahlin unseres Generals ist jetzt der General.“ Er hob die Hand, bevor Cassio ihm mit einem unwilligen Widerspruch ins Wort fallen konnte. „Vertraut Euch ihr an, bittet sie darum, Euch dabei behilflich zu sein, Eure Position wiederzuerlangen. Sie ist solch eine gute Seele. Sie wird versuchen, diesen Bruch zwischen Euch und Moro aus der Welt zu schaffen.“ Cassio sann einen Augenblick über diesen Vorschlag nach, wobei die dunklen Wolken der Verzweiflung langsam von seinem glatten Gesicht wichen. Dann nickte er und holte tief Luft. „Ich werde darüber nachdenken. Aber ich glaube, der Rat ist gut. Ich danke Euch, Jago.“ Er ergriff die Hand des anderen und schüttelte sie überschwänglich – jetzt, wo er wieder Licht am Horizont der dunklen Selbstvorwürfe sah. „Ich danke Euch“, wiederholte er und blinzelte einige Male – als sei das Ganze nichts als ein schlechter Traum, der sich so verscheuchen ließe. Als dem aber offenbar nicht so war, zuckte er ergeben die Achseln und senkte den Kopf. „Gute Nacht, Jago“, murmelte er und wandte dem Major den Rücken. Dann steuerte er langsam auf das Militärgebäude zu, in dem er eine Kammer bewohnte.
     
    Jago konnte sich kaum davon abhalten, lauthals zu lachen. Der erste Teil seines Planes hatte sich wie vorgesehen erfüllt. Er rieb sich die Hände, als Cassio davonschlich wie ein geprügelter Hund.
     
    „Pssst!“ Das Zischen riss ihn unsanft aus den triumphierenden Gedanken, und er wirbelte herum, um die Quelle des Geräusches ausfindig zu machen. „Pssst!“, klang es erneut aus dem Torbogen, der in den äußeren Befestigungsring führte. Die Hand am Heft seines Schwertes näherte sich der Major vorsichtig den tiefen Schatten, aus denen sich eine dunkle Gestalt löste. „Rodrigo!“, knurrte er, als er den Mann erkannte. Das Gesicht des jungen Burschen glich einer Maske des beleidigten Schmollens, und die zerrissenen Kleider waren an mehreren Stellen mit Blut befleckt. Der rechte Ärmel seines Hemdes war aufgeschlitzt, und auf dem schwammigen, weißen Unterarm prangte ein langer, tiefer Schnitt. „Was für ein beschissener Plan!“, platzte der junge Mann heraus. „Ich habe fast mein gesamtes Vermögen für eine überteuerte Bleibe ausgegeben, habe heute Nacht tüchtig Prügel bezogen, und das ist so ungefähr das Ausmaß der Erfahrung, die ich mit zurück nach Venedig nehmen werde!“ Jago musste gegen den Impuls ankämpfen, dem Jammerlappen eine kräftige Ohrfeige zu versetzen. Immerhin brauchte er ihn noch. Er war sicher, dass Rodrigo nur einen verschwindend geringen Teil seines Geldes für die Zimmer bezahlt hatte, die er in einem der weniger anständigen Häuser der Stadt gemietet hatte. Den Rest konnte er aus ihm herauspressen. „Wie arm sind doch diejenigen, denen es an Geduld mangelt!“, orakelte er – bemüht, Gleichmut in seine Stimme zu legen. „Ihr wisst doch, dass uns nur List und keine Zauberei zur Verfügung stehen. Läuft denn bisher nicht alles zu Eurer Zufriedenheit?“ Er legte dem anderen die Hand auf die Schulter, da er sich bewusst war, dass diese Geste Vertrauen und Zuversicht ausdrückte. „Cassio ist geschlagen. Das ist Eure Gelegenheit, Desdemonas Herz zu gewinnen. Habt noch ein Weilchen Geduld und kehrt in Eure Unterkunft zurück. Ein wenig Ablenkung wird Euch die Stunden verkürzen.“ Er zwinkerte gezwungen verschmitzt, da er sehr wohl wusste, dass Rodrigos ach so teure Unterkunft sich in einem Freudenhaus befand. „Geht schon. Ich werde Euch auf dem Laufenden halten.“ Rodrigo grunzte etwas

Weitere Kostenlose Bücher