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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Nächstes unternehmen sollte. „Du kannst ihn verbrennen!“ Angelina wirbelte herum und ihre schwimmenden Augen funkelten vor Wut und Schmerz. „Was steht denn darin?“, fragte Francesco nach einer peinlichen Pause vorsichtig und legte den Stein des Anstoßes in seinen Schoss, während er ihre kalten Hände in die seinen nahm. „Lügen und noch mehr Lügen!“, explodierte sie. Dann, ehe er sie mit weiteren Fragen bedrängen konnte, griff sie wütend nach dem Brief und drückte ihn Francesco in die Hand. „Lies!“, befahl sie, und als er zögerte, wiederholte sie: „Lies!“ Mit hämmerndem Herzen entfaltete Francesco den Brief und begann, die Zeilen zu überfliegen – inzwischen überzeugt davon, dass sie niederschmetternde Neuigkeiten enthielten.
     
    Tochter,
     
    ich schreibe diese Zeilen, um dich davon in Kenntnis zu setzen, dass ich dich nicht länger als mein Kind betrachte. Dein Vater, der bereits durch den ungeheuerlichen Akt des Ungehorsams deiner Schwester geschwächt war, konnte den Schlag, den dein Vertrauensbruch ihm versetzt hat, nicht verkraften. Er hat sich letzte Nacht in einem Anfall geistiger Umnachtung im Canal ertränkt.
     
    Du kannst jetzt nur noch Gott um Vergebung deiner Sünden bitten.
     
    Venedig, 21. Februar 1571
     
    Der Brief trug keine Unterschrift. Zuerst verschlug der Schock Francesco die Sprache. Er ließ einfach nur die Arme sinken und starrte Angelina fassungslos an, deren Gesicht bis auf zwei rote Flecken auf ihren Wangenknochen immer noch totenblass war. Ihre dunklen Augen waren vor Schmerz beinahe schwarz, und sie sah aus, als könnte sie in ihrem ganzen Leben nie wieder glücklich sein. „Oh, meine Liebste“, flüsterte er schließlich, zog sie an sich und umschlang sie mit seinen starken Armen in dem Versuch, all die Liebe auszudrücken, die er für sie empfand. „Es ist alles meine Schuld“, stammelte sie, erneut von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt, und verbarg das Gesicht an seiner Schulter. „Pssst, mein Schatz.“ Francesco streichelte die Locken, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte. „Das ist nicht wahr. Es ist nicht deine Schuld. Das Herz deines Vaters ist gebrochen, als ihn die Nachricht erreichte, dass seine Tochter ohne seine Zustimmung geheiratet hat.“ Er erinnerte sich lebhaft an die Szene im Sala del Senato. Das stolze Leuchten in den Augen des alten Mannes war erloschen, als Desdemona vor all den versammelten Senatoren ihre Liebe für Christoforo Moro gestanden hatte.
     
    „Du und Desdemona, ihr habt zwar gegen den Willen Eurer Eltern gehandelt, aber ich denke nicht, dass deine Mutter dich für den Tod eures Vaters verantwortlich machen kann.“ Sein Gesicht war ernst. „Du bist nicht das erste und wirst sicherlich auch nicht das letzte Mädchen sein, das seinem Herzen folgt.“ Als sie ihn unterbrechen wollte, küsste er sie auf die leicht geöffneten Lippen. „Und du bist schließlich nicht davongelaufen, um die Regimentshure zu werden.“ Sie zog scharf die Luft ein. „Wir werden heiraten!“, sagte er heftig. „Und deine Eltern wussten ja gar nichts von mir. Sie wussten lediglich, dass du deine Schwester auf diese Reise nach Zypern begleitet hast!“
     
    Angelina hatte zwischen dem Abenteuer der Liebe und der sicheren Aussicht, so schnell wie möglich mit dem nächstbesten angesehenen Junggesellen verheiratet zu werden, um den letzten Rest der Familienehre zu retten, entscheiden müssen. Daher hatte sie die Stimme des Gewissens ignoriert, hastig ihre Sachen gepackt und ihrer Zofe eine erklärende Nachricht hinterlassen. In diesem Brief hatte sie ihre Eltern um Vergebung dafür gebeten, dass sie Venedig ohne ihre Zustimmung verließ, um ihrer Schwester auf eine Reise in ein Land zu folgen, in dem sie niemanden kannte. Doch offensichtlich war all das zu viel für ihren Vater gewesen. Sie nickte traurig. „Und auch wenn Christoforos Mutter eine Maurin war“, fügte Francesco seinem Verteidigungsplädoyer hitzig hinzu, „ist er einer der am höchsten geachteten Generäle der venezianischen Armee! Deine Schwester hätte eine weitaus schlechtere Partie machen können!“ Indem sie diesen Schwächling Rodrigo geheiratet hätte, fügte er in Gedanken hinzu.
     
    Angelina grübelte eine Weile über diese Argumente nach, während ihr Kopf immer noch an seiner Schulter ruhte. Schließlich seufzte sie ergeben. „Wir haben beide eine Sünde begangen, als wir gegen den Willen unserer Eltern handelten“, stellte sie ernst fest. „Ich

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