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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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bereiten!“ Hülyas Augen hatten einen starren Ausdruck angenommen. Fast schien es, als hätte ihr Bewusstsein den Körper verlassen. „Komm schon!“ Mit der freien Hand ergriff Selim Elissas Handgelenk und zog sie auf den Diwan – neben sich und das auf dem Rücken liegende Mädchen. „Es wird dir gefallen.“
     
    Etwas stimmte nicht! Etwas stimmte überhaupt nicht! Elissa war inzwischen an Selims Brutalität gewöhnt, doch dieses Mal war der Ausdruck auf seiner Miene mit etwas anderem außer Lust und Machttrunkenheit vermischt. Dieses Mal war die Grausamkeit ernst. „Küss sie!“ Seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. Und Elissa konnte sehen, dass ihn die Szene, die er so kunstvoll inszeniert hatte, erregte. Auf seiner Stirn glänzten winzige Schweißperlen, und seine Atmung hatte sich beschleunigt. „Küss sie, habe ich gesagt“, donnerte er, als sie immer noch zögerte, und griff ihr ins Haar, um ihr Gesicht auf Hülyas blasse Lippen zuzustoßen. „Nein!“, rief sie und kratzte mit ihren langen Fingernägeln nach ihm, die ihm drei blutige Striemen auf die Wange malten. „Das werde ich nicht!“ Sie hatte sich aus seinem Griff losgerissen und war aufgesprungen. „Du wirst tun, was man dir sagt, oder dich wird das gleiche Los ereilen, wie diese Hure dort drüben!“ Mit drei schnellen Schritten war er bei ihr. Er holte mit der Faust aus und hieb ihr in den Unterleib.
     
    „Nicht! Du könntest dein Kind töten!“, keuchte sie hasserfüllt. Zuerst schien er die Worte nicht zu hören, und der Schlag ins Gesicht, der ihre Lippe aufplatzen ließ, kam hart und gnadenlos. Doch als sie gegen die Wand stolperte, hielt er mitten in der Bewegung inne und starrte sie wortlos an. „Was?“, stammelte er. Obgleich er schon mit zahllosen Frauen geschlafen hatte, war es bisher noch keiner von ihnen gelungen, ihm ein Kind zu schenken. Sein Hekim war sehr diplomatisch gewesen – schließlich wollte er den Kopf behalten – aber das Problem schien nicht bei seinen Gespielinnen zu liegen. Bis jetzt hatte er noch keinen männlichen Erben. „Ich bin schwanger“, flüsterte Elissa, die die Tatsache, dass sie die Frucht der Lenden dieses verhassten Mannes trug, seltsam beschämte. „Schwanger“, sagte er sinnierend und biss sich auf die Unterlippe. „Nun, dann werde ich den köstlichen Skandal wiederholen, den mein Vater verursacht hat, als er eine ukrainische Sklavin heiratete, indem ich dich zu meiner Braut mache!“ Er lachte glucksend. Süleyman der Prächtige hatte für einen Aufruhr gesorgt, als er das russische Sklavenmädchen Roxelana – Selims Mutter – geheiratet hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte kein Sultan auch nur ein einziges Mal die Mutter eines Sohnes geehelicht, da dies Probleme nach sich zog, die kein Herrscher gern in Kauf nahm. Oh Gott, nein!, dachte Elissa verzweifelt. Genau davor hatte Neslihan sie gewarnt. Sollte er sie wirklich heiraten wollen, würde sie den Intrigen der anderen Harems mitglieder ausgeliefert sein und ständig in Gefahr schweben.
     
    Als ob diese Ankündigung alles, was zuvor geschehen war, ausradiert hätte, wandte er ihr abrupt den Rücken zu und ging zum Bett zurück, auf dem Hülya immer noch mit ausdruckslosen Augen an die Decke starrte. „Ich werde es meiner Mutter überlassen, dich zu bestrafen“, zischte er. „Auch wenn ich jede Sekunde deiner Qual genießen werde.“ Als sie nicht darauf reagierte, bohrte er die Finger in ihre Kehle. „Dein Liebhaber ist bereits gefasst! Er wird morgen vor den Augen seiner Kameraden kastriert!“ Er ignorierte den erstickten Entsetzensschrei, der Hülya bei dieser furchtbaren Nachricht entfloh, und brüllte: „Wache!“ Als die beiden Janitscharen, welche den Haupteingang bewachten, den Raum betraten, wies er mit dem Kinn auf die junge Frau. „Bringt sie in die kleinste Zelle, die wir haben.“ Da einer der Männer Hülyas Kleid aufheben wollte, um es ihr zu reichen, setzte er hinzu. „Nein, sie bleibt nackt!“
     
    Vor Entsetzen gelähmt beobachtete Elissa, wie die Männer Hülya aus der Kammer führten. Der Klang der hinter ihnen zufallenden Türen war ihr noch nie so hohl und laut erschienen. Sie schluckte trocken. „Dann können wir ja da weitermachen, wo wir aufgehört haben“, sagte Selim selbstgefällig. „Auch wenn wir jetzt ohne einen Helfer auskommen müssen!“

Kapitel 25
     
Zypern, eine Kammer in der Zitadelle, März 1571
     
    Desdemona hatte den ersten Schock inzwischen überwunden. Es

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