Die Toechter Egalias
Zeichen so: es repräsentiere die Rolle des Mannes in der Zivilisation, wie sie im Gebärpalast dargestellt sei, nämlich seine Doppelrolle als Erzeuger und Empfänger des Kindes, zu der er im Gegensatz zu seinen Brüdern in der übrigen Säugetierwelt zivilisiert worden sei. Einige Maskulinisten behaupteten, dies sei eine moderne weiblich-chauvinistische Deutung des dreieckigen Männersymbols. Vielmehr habe das Dreieck in früheren patriarchalischen Zeiten die Macht der Männer symbolisiert. Andere wieder meinten, das höre sich zwar alles einleuchtend und spannend an, doch keiner wußte genau, was das Zeichen im Patriarchat bedeutet hatte. Außerdem gab es keinen, der von der früheren Existenz irgendeines Patriarchats überzeugt war, abgesehen von Herrlein Uglemose und vielleicht Fandango.
Der schwarze dicke Strich war etwas, was die Maskulinisten nachträglich selber eingezeichnet hatten. Sie wußten, daß ein Penissymbol auf die Gesellschaft anstößig, ja pornographisch wirken werde. Aber sie waren der Meinung, eine der Aufgaben der Bewegung müsse darin bestehen, die Männer zu der Einsicht zu bringen, daß sie sich ihres Pimmels nicht mehr zu schämen brauchten. Deshalb wollten sie ihn offen und ohne Scham darstellen. Männer waren sie und Männer würden sie bleiben. Und Männer hatten eben einen Pimmel. Und das sei etwas ganz Natürliches und nichts, dessen dam sich schämen müsse, behaupteten sie. Doch zugleich konnte das Penissymbol auch als Waffe gedeutet werden: als Stock, als etwas, mit dem dam sich bewaffnen konnte, um gegen die Frauengesellschaft zu kämpfen. Die ganze Unversöhnlichkeit der Männerbewegung fand in diesem Zeichen ihren Ausdruck. Sie gaben dem Dreieck auch einen neuen Inhalt. Warum sollte die Welt der Männer immer auf die Beziehung zwischen zwei Personen aufgebaut sein. Es war doch eine zukünftige Gesellschaft denkbar, die sich auf die Solidarität und den Zusammenhalt zwischen mehr als zweien, vielleicht dreien oder mehreren gründete. Sie behaupteten, Männer hätten eigentlich, erhielten sie nur die Chance dazu, weitaus größere Fähigkeiten als Frauen, Solidarität und Gemeinschaftssinn zu entwickeln. In diesem Punkt waren sie freilich ein wenig unsicher. Es entstanden Diskussionen, und einige meinten, das erscheine ihnen doch recht naiv. Aber jedenfalls gab es welche, die das Zeichen dennoch so deuteten.
Herrlein Uglemoses Villa wurde völlig ummöbliert. Sie machten die einzelnen Zimmer zu einem Büro, einem Gymnastikraum, einem Geräteraum, einem Kopierraum, einem Rauchzimmer, einem Kinderzimmer und einem Gemeinschaftsraum. Die jungen Leute hatten viele Zusammenkünfte, auf denen sie Schlachtpläne für Aktionen entwarfen, die sie im Laufe des Jahres zu unternehmen gedachten.
Und dann verschwand Kornmarken plötzlich. Eines Tages kam sie nicht mehr. Sie war Generationen hindurch immer pünktlich gewesen. Nun blieb sie weg. War sie gestorben? Herrlein Uglemose machte sich Sorgen. Er ging in den Garten hinaus und suchte nach ihr, weil er annahm, sie sei vielleicht vom Schlag getroffen worden oder bei der Arbeit plötzlich leblos zu Boden gesunken, wie es bei Frauen so häufig der Fall war. Aber konnte sie nicht finden. Er sah in dem kleinen Geräteschuppen nach. Auf dem wackligen Tisch, an dem Kornmarken seit Wibschengedenken Kaffee getrunken hatte, lag ein Brief. Das Herrlein griff nach ihm. „Liebes Herrlein Lisello...“ Das Herrlein schaute den Brief einen Augenblick lang sinnend an. Es erschreckte und berührte ihn gleichermaßen, daß noch immer eine sich daran erinnerte, daß er damals „Herrlein Lisello“ genannt wurde. Er las weiter. „...nach all dem Spektakel, der hier entstanden ist, sehe ich mich leider gezwungen, meine Stellung als Gärtnerin und Frau für alles auf dem Anwesen der Rektorin Uglemose mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Ich habe hier all die Jahre treu gearbeitet, um das Andenken der Rektorin zu bewahren. Aber das, was jetzt hier geschieht, verleidet mir jede Beziehung zur Erde Ihrer seligen Frau Mutter, so daß ich mich künftig außerstande sehe, den Garten zu bestellen, zu pflanzen und hier Ordnung zu halten. Mit dem Ausdruck des tiefsten Bedauerns, Ihre sehr ergebene Kornmarken.“
Eine Träne rollte über Herrlein Uglemoses Wange. Er trocknete sie sogleich ab und zerknüllte den Brief in der Hand. Er war wütend. Was bildete sich diese Kornmarken eigentlich ein?! Einfach so zu kündigen! Und mit solch einer Begründung! Er blieb
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