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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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wie die Dinge heute nun einmal liegen, steckt es jedenfalls tief in unserer Natur. O Göttin, nun rede ich schon wieder die ganze Zeit. Ich gebe zu, ich würde euch gern einmal zuhören. Wie gesagt, es scheint eine Berufskrankheit zu sein. Ich bin auch nicht daran gewöhnt, mit Leuten zu reden... Entweder rede ich auf sie ein, oder auf mich wird eingeredet. Nie ein Zwischending. Was wollte ich jetzt sagen?“ Er machte eine kleine Pause und nippte an dem Pflaumenschnaps, wobei er den kleinen Finger etwas abgespreizt hielt. „Ja, was ich sagen wollte, war wichtig... was war es nur? Was wollte ich eigentlich sagen?“ Er blickte sie hilflos und verwirrt an. „Ich werde immer so nervös. Ich bin nämlich daran gewöhnt, daß die Zeit nicht stehenbleiben darf. Es ist so sonderbar, hier mit einer Gruppe von jungen Leuten zu reden und dann steckenzubleiben, ohne daß das Gespräch stehenbleibt, wenn ihr versteht, was ich meine.“ Das Herrlein stockte wieder.
    „Es ist schön hier bei dir.“
    „Danke, Baldrian. Ja, so war das. Und nun habe ich plötzlich gesehen, daß meine Chance gekommen war. Es ist schön, daß ihr hier seid... Ich bin ja ein alter Mann... Ich weiß nicht, ob ich es mir Zutrauen würde, mit euch zu marschieren und eingesperrt zu werden oder so. Ja, das ist es wohl, was ihr gedacht habt. Ich könnte aber vielleicht auf andere Weise behilflich sein. Der Traum, ein Heim zu schaffen, ist wohl ein für allemal vorbei. Ich bin zwar erwachsen. Aber vielleicht könnte ich eine andere Art von Heim schaffen. Ich wohne ja ganz allein hier.“
    Herrlein Uglemose streckte sich behaglich und blickte sie unsicher an. „Ich meine also: ein Maskulinistenzentrum auf echt herrleinhaftem Boden! Was haltet ihr davon?“

Die Maskulinisten brechen ein Tabu

    Kein Haus in der Gegend reckte sich so stolz gen Himmel wie die weiße Villa von Herrlein Uglemose auf dem Plattenberg. Das Grundstück war groß und der Boden dort fruchtbar, wo die Sonne hinschien. Daß die Männer einen Ort für sich selber bekamen, einen Ort, wo es nur Männer gab, war schon ein phantastischer Einfall, zumal gerade in diesem Jahr, wo alles festgefahren zu sein schien. Herrlein Uglemose, dessen Leben darin bestanden hatte, auf der Stelle zu treten, verspürte neuen Schwung. Die anderen Männergruppen, die von Herrlein Uglemose kaum mehr gehört hatten als Gerüchte, zögerten anfangs bei dem Gedanken, sich in seinem Haus einzurichten. Sie änderten aber bald ihre Meinung, als das Herrlein ihnen versicherte, sie könnten tun, was sie wollten, und seine wenigen persönlichen Habseligkeiten in eine Dachkammer schaffte. Alles andere durften sie benutzen, wann immer sie es wünschten. „Dieses alte Mobiliar — alles Erinnerungen an die alte Rektorin Uglemose — belastet mich nur“, sagte das Herrlein. Er hatte ein Wibschenalter mit verstaubten Andenken gelebt — in der Illusion, es sei ein Zuhause gewesen. Jetzt mochte es genug sein. „Weg mit den alten Illusionen“, meinte Herrlein Uglemose, „ich wurde nie vaterschaftspatroniert. Und heute bin ich glücklich darüber.“ Die Männer richteten das Haus neu ein, nahmen die alten Gemälde von den Wänden, die verstaubten Skulpturen aus den Regalen und hängten ihre Männerplakate an. Das flotte dreieckige Männerabzeichen bekam im Zimmer einen Ehrenplatz, und zwar genau dort, wo das Porträt der alten Rektorin Uglemose über fünfzig Jahre lang drohend herabgeschaut und alle, die in ihrer Nähe sich etwas wohl zu fühlen und zu entspannen bemüht waren, mit strengem Blick zurechtgewiesen hatte, als habe sie in dem Rahmen weitergelebt. Herrlein Uglemose schien auf einmal zwanzig Jahre jünger zu sein. Oder vielleicht war er schon immer zwanzig Jahre jünger gewesen, nur daß er bisher nie Gelegenheit gehabt hatte, dies richtig deutlich werden zu lassen. Er hatte selber darauf bestanden, das Männerabzeichen für sie zu sticken. Es war eine kleine Zeremonie, als es an die Wand gehängt wurde: das gleichschenklige Dreieck mit der triumphierend aufwärts gerichteten Spitze. Eine kräftige rote Farbe markierte den Umriß mit einem breiten Rand und in der Mitte der schwarze Balken auf weißem Grund das Penissymbol. Sie feierten das Ereignis mit Wein aus Herrlein Uglemoses Weinkeller.
    Dieses rotumrandete weiße Dreieck mit der nach oben gerichteten Spitze war das traditionelle Männerzeichen, das in der Biologie zur Bezeichnung des männlichen Geschlechts benutzt wurde. Allgemein erklärte dam das

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