Die Toechter Egalias
stehen und starrte vor sich hin. Er hatte nie richtig darüber nachgedacht, daß sein neues Leben, das er im Alter von fünfundfünfzig Jahren begonnen hatte, Widerstand provozieren könnte.
Er lief schnell die Treppen hoch zu den anderen. Sie sahen sofort, daß etwas schiefgegangen war. „Hier, dieser Brief, nehmt ihn mal und lest.“ Sie schauten sich an, Was sollten sie jetzt machen? Das ganze schöne Anwesen von Herrlein Uglemose würde verfallen. Könnten sie nicht eine andere bekommen? Sie redeten durcheinander. Irgendeiner deutete an, daß es so doch gut sei. Jetzt waren sie tatsächlich ohne Frauen. Aber was sollte aus dem Obstgarten werden? Und dem Kräutergarten? Und der Wiese? Ratlos setzten sie sich hin. Der ganze Mut und Eifer, die ganze Zuversicht und Energie, all das, was sie in den letzten Wochen so stark erfüllt hatte, war wie weggeblasen. Sie saßen da und starrten Löcher in die Luft.
„Wir müssen uns einfach eingestehen, daß wir ohne Frauen total hilflos sind.“
Wieder starrten sie in die Luft. Was konnten sie denn? Was wußten sie? Zur Luzia noch mal, wie bestellte dam den Boden?
Die Arbeiten in der Maibucht waren etwas anderes gewesen. Gro hatte ihnen das Fischen beigebracht. Daß Männer nicht Fischerinnen und Taucherinnen werden konnten, lag ja nur daran, daß ihnen gewisse Kenntnisse und Fähigkeiten fehlten. Das ließ sich überwinden. Sie brauchten sich das Wissen und die Fertigkeiten nur anzueignen. Dann konnten sie es genausogut wie die Frauen. Aber den Boden zu bestellen!?
Die Männer zitterten fast bei dem Gedanken, daß sie den Boden bearbeiten sollten. Sie hatten nicht die geringste Ahnung davon, wie etwas aus der Erde hervorwuchs. Im Gegensatz zu den Mädchen hatten sie in der Schule Landwirtschaftskunde nie gehabt. Die Mädchen beschäftigten sich intensiv damit, fuhren in den Ferien aufs Land oder arbeiteten zu Hause im Garten. Die konnten das einfach. Die Jungen hatten sich eigentlich nie etwas daraus gemacht, es zu erlernen. Einige fanden, daß so ein Garten schon toll aussah, hatten aber nie selber mit Hand angelegt. Aber hier ging es ja nicht nur um die Frage, wie Sträucher, Bäume und Blumen aus der Erde kamen, nicht nur darum, sich einige Kenntnisse anzueignen. Ihnen fehlte nun einmal der Kontakt zum Leben und zur Natur völlig. Doch erst dieser Kontakt machte es möglich, daß etwas unter ihren Händen gedeihen und wachsen konnte. Wie sehr sie sich auch mühten und lernten, nie würden sie die simple Tatsache umgehen können, daß sie keine Menstruation hatten! Und ohne Menstruation — ohne diese Lebensäußerung, die der Frau eigen war und in Übereinstimmung mit dem Zyklus der Natur stand, konnten sie das Erdreich nicht bestellen. Alles würde unter ihrer Pflege verwelken. Und sie würden nicht begreifen, warum.
„Ja, dann laßt uns doch anfangen und säen!“
Alle zuckten zusammen und wandten sich Fandango zu.
„So?!“
„Ja. Heißt es denn nicht so, wenn Frauen etwas in die Erde stecken, damit es herauswachsen soll?“
„Heißt es so?“
In ihnen glomm ein winziger Funken Hoffnung auf. Vielleicht wußte Fandango etwas. Vielleicht gab es noch andere Männer, die davon eine Ahnung hatten. Plötzlich wurden sie aus ihrem Zustand der Gleichgültigkeit und Untätigkeit herausgerissen und begannen, eifrig hin und her zu überlegen. Einige meinten, dam könne gleich aufgeben, denn selbst wenn sie entsprechende Kenntnisse besäßen, brächten sie trotzdem nie etwas zustande. Andere wieder waren der Meinung, vielleicht stimme es gar nicht, daß Männer nicht ebensogut wie Frauen den Boden bestellen konnten. Sie fürchteten, daß alle Obstbäume absterben würden, sobald sie mit dem Pflücken der Früchte begannen.
Herrlein Uglemose dachte an alle die Male, die er Kornmarken im Garten hatte arbeiten sehen. Er hatte sie begrüßt, hin und wieder einen kleinen Plausch mit ihr gehalten, und manchmal war er einfach an ihr vorbeigegangen. Aber hatte er darauf geachtet, womit sie gerade beschäftigt war? Was machte sie mit den Obstbäumen, damit Äpfel, Pflaumen und Birnen jedes Jahr wiederkamen? Wie ging es vor sich, daß Mohrrübensamen zu Mohrrüben wurden? Jahrein, jahraus hatte er gegessen, was sein eigener Garten hervorbrachte; nie, nicht einen einzigen Augenblick hatte er darüber nachgedacht, wie diese Produkte wohl zustande kamen. Er schämte sich. Dann besann er sich auf seine Kinderjahre zurück, wie er voller Eifer den ganzen Tag über Kornmarken
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