Die Toechter Egalias
dicht auf den Fersen gefolgt war, um zu sehen, womit sie sich beschäftigte. Er hatte mit ihr geredet, ihr zugeguckt und sich bemüht, es ihr gleichzutun. Und Kornmarken hatte ihm jedesmal alles wieder aus der Hand genommen und ihm nur gesagt, er mache alles falsch. Und Rektorin Uglemose hatte ihn beiseite genommen und ihm erklärt, daß es sich für einen Jungen nicht gezieme, sich für Gartenarbeit zu interessieren, und ihm statt dessen Stickvorlagen geschenkt, um ihn zu einer knabengemäßeren Beschäftigung zu ermuntern. So war Herrlein Uglemoses Erinnerung an Kornmarkens Tätigkeiten immer mehr verblaßt.
Herrlein Uglemose räusperte sich auf seine charakteristische Weise, die alle aufhorchen ließ. Er erzählte ihnen von seinen Erinnerungen, wie er als Kind von Gartenarbeiten ferngehalten worden sei, warum er das Interesse daran verloren und statt dessen zu sticken und in Büchern zu schmökern begonnen habe. Der Reihe nach fingen die Männer an, von sich selber zu berichten. Daß sie, als sie klein waren, ihre Mütter gefragt hätten, wie alles wachse und gedeihe, und daß sie übereinstimmend die gleiche Antwort erhalten hätten: „Darum brauchst du dich nicht zu kümmern, du bist doch ein Junge.“ Wie konnte es dazu kommen, daß ihnen allen die gleiche Antwort zuteil geworden war? Hatten die Mütter untereinander eine Absprache getroffen? Hatten sie bei gelegentlichen Zusammenkünften insgeheim beschlossen: „Wenn unsere Söhne sich für Ackerbau interessieren, erhalten sie von uns die einhellige Antwort: ,Darum brauchst du dich nicht zu kümmern, du bist doch ein Junge’?“ Bei dem Gedanken konnten sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, und mit verstärktem Eifer überlegten sie weiter. Aber nein, so war es doch gar nicht. Das war ein Teil der Frauenideologie, ein Teil des ganzen Systems, das sie zu so unfähigen und unbeholfenen Wesen gestempelt hatte.
Es wurde spät. Im Laufe des Nachmittags und des Abends hatten sie die gesamte Skala der Gefühle mehr als einmal durchlaufen — von der Verzweiflung über Niedergeschlagenheit und ohnmächtigen Zorn bis schließlich zum Mut, zu flammender Begeisterung und zum beharrlichen Wollen. Alle waren sich darin einig, daß dieses Gespräch ihnen viele Dinge noch bewußter gemacht und sich als das wichtigste von allen erwiesen hatte, die in der Männerbewegung geführt worden waren. Gleich morgen wollten sie einfach anfangen, wie Fandango es vorgeschlagen hatte.
Aber womit sollten sie anfangen? Sie konnten doch nicht etwas in Angriff nehmen, von dem sie nicht einmal wußten, wie es weitergehen würde. Wieder sahen sie sich an, doch nicht so mutlos wie zuvor, denn sie alle ahnten, was sie zu tun haben würden. Dem konnten sie sich nicht entziehen. So war es nun eben einmal, am Anfang.
Am nächsten Tag gerieten sie an eine Frau, die sie höhnisch feixend, die Hände in den Hüften, musterte und ihnen das Angebot machte, sie werde den jungen Herren schon beibringen, wie dam Pflaumen begieße, wenn sie das unbedingt wollten. Aber ein bißchen pervers komme ihr das schon vor. Andererseits sei sie gewiß keine, die an alten Vorurteilen leide. „Wenn ihr das lernen wollt, so sollt ihr es jedenfalls versuchen dürfen. Also nur zu!“
Dann fingen die jungen Leute damit an, in Herrlein Uglemoses Garten den Boden zu bearbeiten.
Männerunterdrückung — eine historische Notwendigkeit
Warum war das so? Wie hatte es begonnen? Warum zitterten sie schon bei dem Gedanken, ein Samenkorn in die Erde zu stecken? Warum akzeptierten sie, daß Frauen einfach kraft ihrer Natur zur Bodenbearbeitung fähig waren? Warum mußten sie jetzt als Erwachsene lernen, was Frauen schon als Kinder gelernt hatten? Warum war die Menstruation eine Quelle der Kraft und der Samen ein Quell der Scham? Warum war das so? Wie war es dazu gekommen? Wer hatte sich das ausgedacht? Gab es ein weltumspannendes böses Prinzip, das sich gegen sie verschworen hatte? Warum war es so schwer, dagegen aufzubegehren und Selbständigkeit zu erlangen?
Sie saßen auf der Veranda und tranken Herrlein Uglemoses Apfelwein. Ihre Oberkörper waren entblößt, sie fühlten sich frei. Keine Frau sah sie. Die Abendsonne schimmerte in den Gläsern. Malerisch und friedvoll erstreckte sich Egalsund zu ihren Füßen.
„Ursprünglich waren die Menstruationsfeiern Bestandteil eines uralten Fruchtbarkeitskultes“, erzählte Herrlein Uglemose und schaute von einem zum anderen. Die Mitglieder der Männerliga lehnten sich
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