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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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den Nischen standen, saßen Frauen entweder zu zweit oder in Gruppen und tranken und rauchten. In Petronius’ und Baldrians Haarwurzeln begann es zu kribbeln. An der einen Längsseite des Raumes war die Bar; hier standen Frauen gleichsam in Reih und Glied. Einige sprachen eifrig miteinander und gestikulierten dabei.
    „Was du heute für eine schöne Perlenkette umhast!“ hörten sie eine Frau zu einer anderen sagen.
    „Und du? Wo hast du dein Rouge gekauft? Das steht dir wirklich ausgezeichnet.“ Sie redeten und schwatzten genau wie die Männer. Einige trugen sogar enge, lose herunterhängende PHs. Doch die meisten hatten ganz gewöhnliche Damenhosen und dazu ein buntes Hemd an. Viele führten kleine Herrenköfferchen mit sich, die sie in einem fort auf- und zumachten, um ihnen verschiedene Kleinigkeiten — Zigarettenetui, Geld, Taschenspiegel — zu entnehmen. Andere wieder standen einfach nur mit einem Glas in der Hand da, starrten geradeaus und sagten nichts. Nur die Augen bewegten sich unentwegt.
    Petronius und Baldrian schlenderten durch die Bar und gelangten in einen anderen, viel größeren Raum mit ständig wechselnder Beleuchtung und lauter Musik. Die geräumige Tanzfläche wogte geradezu von Frauenpaaren, die nach Rocke-Heidis schriller, von rhythmischem Getrommel begleiteter Sopranstimme losrockten. Viele Frauen hatten sich die allerneueste Damenfrisur zugelegt: ein dünner Borstenstreifen von Ohr zu Ohr über den sonst völlig kahlrasierten Schädel. Sie wirbelten in dem neuen sexbetonten Tanzstil herum.
    Donnamutter! Diese Frauen konnten ja tanzen! Und wie! Petronius und Baldrian blieben stehen und sahen zu, wie Hüften, Schultern, Beine und Arme sich mit verkrampfter Geschwindigkeit und im Takt über den Boden bewegten. Mitunter stießen die Tanzenden buchstäblich zusammen, so daß die Brüste aufeinanderprallten, und trennten sich dann wieder. Einige tanzten engumschlungen und rieben sich an der Bauchpartie. Petronius und Baldrian starrten wie hypnotisiert auf dieses Bild. Plötzlich blieben sie wie angewurzelt stehen: Direkt auf sie zu steuerten Rektorin Barmerud und Lis Ödeschär. Sie hatten hochgesteckte Frisuren, gingen Arm in Arm und trugen beide ihr lachsrotes Herrenköfferchen. Sie blickten durch ihre Söhne hindurch, als hätten diese sich in Luft aufgelöst, und entschwanden im Gewühl der Tanzenden. Petronius und Baldrian sahen sich an. „Aber... aber waren das nicht...?“
    „Ja, das waren doch...“
    „Bist du sicher?“
    „Ich sollte doch meine eigene Mutter kennen.“
    „Glaubst du nicht, daß wir ein bißchen zuviel getrunken haben?“
    „Die taten doch glatt so, als hätten sie uns nicht erkannt.“
    „Vielleicht bilden wir uns das bloß ein
    „Oder vielleicht sind wir wirklich nicht ganz dicht im Kopf?“
    „Was sollen wir jetzt machen? Wieder gehen?“
    „Nein, warum denn? Warum sollen wir denn auf sie Rücksicht nehmen, egal, ob sie es nun sind oder nicht?!“
    Sie schlängelten sich durch das Meer von Frauenleibem. Doch das Paar, das sie eben noch gesehen hatten, blieb wie vom Erdboden verschluckt. Im ganzen Tanzsaal saßen dichtgedrängt nur Frauen an den Tischen.
    „Ist das nicht ein Klub für Männer und Frauen, Petronius?“
    Sie lachten, obgleich ihnen gar nicht zum Lachen zumute war. Sie setzten sich an einen kleinen Tisch für zwei Personen, der gerade frei wurde. Jetzt bemerkten sie ein Männerpaar, das in einer Ecke der Tanzfläche sozusagen auf der Stelle tanzte, vor und wieder zurück. Sie hielten sich umschlungen und bekamen von den vorbeischwofenden Frauenpaaren ab und zu einen Knuff in die Seite.
    An einem Tisch ganz in der Nähe sahen Petronius und Baldrian jetzt auch einige Männer sitzen. Einer faßte seine Nebenfrau um die Taille. Die Nebenfrau gab nach und schmiegte sich eng an ihn. Er küßte ihn innig und lange. Jetzt tönte einer der beliebtesten Schlager aus dem Lautsprecher: „Sag, du bist mein, sag, du bist mein“. Drei Männerpaare bahnten sich einen Weg zur Tanzfläche. Sie lächelten und berührten sich. Ihre Arme und Schultern wirkten kräftig. Frei und ungezwungen bewegten sie Hüften und Hintern rhythmisch aufeinander zu und voneinander weg. Auf eine Art sah es so aus, als sei jedes Paar ein einziger Körper. Es war ein schöner und zugleich sonderbar erregender Anblick.
    Ein Mann in schwarzer Jacke und Hose trat an ihren Tisch.
    „Seid ihr neu hier?“
    „Ja.“ Petronius und Baldrian nickten.
    „Wollt ihr nicht mitmachen und

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