Die Toechter Egalias
vor kurzem auch nicht. Erst dann war es mir einigermaßen klar, warum es für uns so schwer ist, Befriedigung zu erlangen. Wir empfinden uns die ganze Zeit über als Zuchttiere, denn wir haben seit der Pubertät — vielleicht auch schon früher — nichts anderes gelernt. Und wenn das sexuelle Interesse erwacht, sind wir der Meinung, daß wir, wenn wir unsere Geschlechtslust befriedigen, gleich Kinder in die Welt setzen, und so sind wir beschämt und ängstlich und trauen uns nicht einmal, darüber zu reden. Und wenn wir dann mit einer Frau schlafen, trauen wir uns wieder nicht, ihr zu sagen und zu zeigen, wozu wir Lust haben. Wir machen es dann so, wie sie es haben möchte, und finden es obendrein noch schön, nur weil sie es schön findet. Und auf eine Art ist es das ja auch.“
„Wir können ja die Pille nehmen, dann brauchen wir keine Zeugungsangst zu haben.“
„Aber die hat doch Nebenwirkungen.“
„Ja...“
„Die jüngsten Forschungen haben ergeben, daß die neue Pille keine schädlichen Folgen hat. Oder so gut wie keine.“
„Gro beklagt sich und sagt, ich sei weniger gut im Bett, wenn ich die Pille nehme. So habe ich damit aufgehört.“
„Warum sollen wir eigentlich gezwungen werden, die Pille zu nehmen, wenn die Frauen gewöhnlich sowieso nicht wollen, daß wir unseren Pimmel in den Gebärkanal stecken?“
„Wohl für alle Fälle.“
Sie sahen sich wieder an. Es gab so vieles, über das nachzudenken sich lohnte. Überall stießen sie auf Zeichen der Männerunterdrückung, die sie erst allmählich begreifen lernten. Manchmal fühlten sie sich völlig verwirrt, wenn sie Dinge entdeckten, mit denen sie sich bisher einfach abgefunden hatten, ohne über sie weiter nachzudenken. Plötzlich erschien es ihnen völlig absurd, daß der Mann einerseits die Pille nehmen sollte und andererseits fast nie befriedigt wurde.
Unversehens erkannten sie, daß die ganz simple Frage ,Wie schlafen wir miteinander?’ symptomatisch dafür war, wie das gesamte Gesellschaftssystem funktionierte: Die Männer nahmen die Pille, schädigten dadurch ihre Gesundheit und erlangten trotzdem keine Befriedigung. Der Mann verrichtete in Gesellschaft und Familie die schwersten und unangenehmsten Arbeiten und wieder erlangte er keine Befriedigung. Glück und Harmonie, die ihm, als er jung war, vorgespiegelt worden waren, blieben ihm versagt. Je mehr sie sich dessen bewußt wurden, desto stärker empfanden sie, daß all dies wie eine einzige große Verschwörung gegen sie gerichtet war.
„Vielleicht sollten wir es statt dessen mal miteinander probieren.“ Petronius bereute sofort, daß er das gesagt hatte. Einmal gefiel ihm nicht, daß er ‚probieren’ gesagt, und zum anderen empfand er das nicht als sexuelles Erlebnis. Ihm war immer klarer geworden, daß er gern mit Baldrian zusammen war, sich freute, wenn er ihn sah, und sich gern mit ihm unterhielt. Manchmal war es fast so, als sei er in ihn verliebt. Aber er hatte nie im entferntesten daran gedacht, mit ihm zu schlafen, und wenn er nun trotzdem Lust verspürte, mit Baldrian zu schlafen, so hatte das nichts mit Gro zu tun. Wenn er mit Baldrian schlafen wollte, dann nicht, weil er bei Gro nicht zum Orgasmus kam. Warum platzte er dann aber damit so heraus? War es etwa doch gerade deshalb? In seiner Verwirrung hoffte er, daß Baldrian auf diesen naiven Vorschlag nicht weiter eingehen werde. „Es gibt ja welche, die es miteinander treiben“, sagte Baldrian.
Petronius fühlte sich unendlich erleichtert, daß Baldrian seinen beiläufig geäußerten Vorschlag aufgegriffen hatte. „Kennst du welche?“
„Nur Frauen. Zwei Frauen, mit denen ich zusammen war, hatten homosexuelle Neigungen. Komisch, eigentlich bin ich mit denen am liebsten zusammen gewesen. In einem Fall bin ich wirklich traurig gewesen. Ich war mit ihr schon lange zusammen, als sie es mir endlich erzählte. Das hat mich ganz schön geschafft. Aber da war ja nichts zu machen. So rannte ich drei Monate mit einem Moralischen herum und fand schließlich eine heterosexuelle Superfrau. Die habe ich zwei Monate lang ausgehalten.“ Petronius wurde ein wenig neidisch bei diesem Gedanken. Ihm war aber nicht ganz klar, ob sein Neid den Frauen oder Baldrian galt, der ein sogenannter emanzipierter Mann war. Er hatte mit so vielen Frauen Beziehungen gehabt. In den letzten Jahren, besonders aber nach Entstehung der Männerbewegung, hatten sich freie Verbindungen immer mehr durchgesetzt. Männer sollten nicht mehr so
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