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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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tanzen?“
    Petronius und Baldrian sahen sich etwas unsicher an.
    „Nein, vorläufig sitzen wir nur hier und reden...“ Das stimmte aber eigentlich nicht. Sie waren nämlich sprachlos.
    „Störe ich vielleicht?“
    „Nein, nein, durchaus nicht...“
    „Etwas dagegen, wenn ich mich setze?“ Sie schüttelten den Kopf. „Ganz sicher?“,
    „Ja, ja.“ Sie antworteten im Chor. Der Mann setzte sich und zündete eine Zigarette an.
    „Eigentlich können wir ja nichts dafür, daß wir so sind, wie wir sind“, sagte er. „Leicht pervers ist es ja wohl. Bisweilen fühle ich mich als Frauenseele, die in einem Männerkörper steckt. Doch bei der Arbeit trage ich natürlich einen PH... Nur gut, wenigstens an einem Ort auf der Welt so sein zu können, wie dam ist.“
    „Glaubst du?“
    „Ja, glaubt ihr denn nicht, daß ihr so geboren seid?“
    Petronius und Baldrian vermieden es, sich anzusehen, und antworteten nicht.
    „Seid ihr sicher, daß ich nicht störe? Sonst gehe ich.“
    „Nein, nein, es ist nur... wir wissen nicht, ob wir so sind...“
    Der Mann lächelte. „Die Leute haben wirklich ganz phantastische Vorstellungen, wie wir es angeblich machen. Sie glauben, wir benutzen Gummikitzler und Riesenersatzbrüste aus Schaumgummi. Sie glauben, wir müssen Mann und Frau spielen, und wenn wir zusammen sind, trägt einer von uns diese Riesenersatzbrüste aus Schaumgummi und mimt die ganz große. Ich wünschte, die sähen ein, daß wir ganz normale Bürger sind.“
    Unmittelbar hinter ihnen lachte irgendwer. Sie unterhielten sich weiter, aber es wurde noch immer hinter ihnen gelacht. Was waren das für Idioten? So komisch konnten sie doch nicht sein, auch wenn sie ganz gewöhnliche Männerkleidung trugen. Petronius und Baldrian drehten sich um. Da standen doch tatsächlich Herrlein Uglemose und Fandango und strahlten über das ganze Gesicht. „Baldrian und Petronius! Ihr hier?!“ Fandango umarmte sie.
    „Das müssen wir unbedingt feiern“, sagte Herrlein Uglemose und lachte. Er sah gut und gerne fünfzehn Jahre jünger aus.
    „Ist das so ’ne Art Doppelhochzeit?“ fragte der Mann, stand auf und bot Herrlein Uglemose mit einer kleinen Handbewegung seinen Stuhl an. „Gratuliere! Hoffe, wir treffen uns wieder.“ Dann verschwand er. Herrlein Uglemose nahm auf dem Stuhl Platz, und Fandango setzte sich auf seinen Schoß.
    „Vielleicht meint ihr, daß der Altersunterschied ein bißchen groß ist...“, sagte Herrlein Uglemose ein wenig nachdenklich.
    „Dafür ist der Geschlechtsunterschied nicht so groß“, sagte Fandango und küßte das Herrlein auf den Mund. Baldrian hatte ihn noch nie so froh gesehen.
    „Eure Flasche Champagner!“ rief das Herrlein einer der Servierdamen zu, die die Bestellung eilfertig auf ihrem Block notierte. „Und vier Gläser.“ Sie war im Nu zurück, lächelte dem Herrlein freundlich zu und fragte, wie es ihm gehe.
    „Ganz ausgezeichnet!“ antwortete das Herrlein. Die Servierdame warf einen raschen Blick auf Fandango.
    „Das ist ein alter Freund von mir. Er heißt Fandango.“
    „Angenehm“, sagte die Servierdame und reichte Fandango die Hand. „Du mußt gut auf ihn aufpassen, Fandango. Ich heiße Aud und bin ein alter Freund von Lisello.“ Dann machte Aud die Flasche auf, schenkte ein und verschwand.
    Sie redeten durcheinander, prosteten sich zu und lachten. Fandango und das Herrlein erzählten abwechselnd, wie sie in die unmöglichsten, lächerlichen Situationen geraten waren, nur damit sie nicht entdeckt wurden. Doch einmal mußte es ja sowieso herauskommen. Die Männerbewegung sollte sich doch nicht der Illusion hingeben, sie könnte ohne fallüstrische Männer auskommen. Im Gegenteil. Ohne Fallüstrismus hätte es nie eine Männerbewegung gegeben — weder damals noch heute. Aus dem Lautsprecher tönte eine Männerstimme. Es war ein Sänger aus Pax, der jetzt ein Lied von der Stärke und Solidarität der Männer sang. Sie standen auf, gingen zur Tanzfläche und hielten sich, während sie tanzten und sangen, an den Schultern fest. Herrlein Uglemoses Bariton überraschte sie. Sie verstummten und hörten ihm zu. Gab es in der Schule irgendeine, die wußte, daß er so eine Stimme besaß? In der Schule hatte bisher immer Lehrerin Ei vorgesungen und auf sämtlichen Abschlußfeiern mit ihrem souverän falschen Sopran unverdrossen die Hymne „Töchter Egalias — das uralte Reich“ angestimmt.
    Die Musik hörte auf.
    Baldrian legte die Hände auf Petronius’ Schultern und

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