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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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blickte ihm mit tränenfeuchten, glänzenden Augen ins Gesicht.
    „Müßten wir das hier nicht so machen?“
    Er zog ihn an sich und küßte ihn. Sie lachten, schlangen die Arme umeinander und standen ganz dicht beisammen, küßten sich ein übers andere Mal und lachten. Wie war das möglich? Das war ja ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Sie wagten kaum, sich anzusehen, hielten sich nur fest und lächelten sich mit einer Art Körpersprache an. Sie vergaßen ihre Umgebung und empfanden in der Umarmung des anderen ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Ihnen schien es, als würden sie in höhere Sphären emporgehoben. Mit nichts, was sie in ihrem bisherigen mühevollen Leben erfahren hatten, ließ sich dieses Gefühl vergleichen.
    „Nun folgt der ,Gute -Nacht-Tanz‘.“ Der Discjockey, der Männerkleider und eine Perücke trug, hielt das Mikrophon ganz dicht an den Mund. „Die letzte Chance heute abend. Beth singt: ,Auf dich hab’ ich gewartet.’“
    Petronius und Baldrian, Herrlein Uglemose und Fandango tanzten paarweise zu den Klängen der Musik.
    Konnte das sein, dieses Gefühl, den Körper eines anderen Mannes am eigenen zu spüren? Warum hatten sie das nicht schon früher probiert? Baldrians Arme auf seinem Körper — flüchtige Klänge im Halbdunkel — alles auf der Welt war einfach und schön. „Baldrian, du bist bezaubernd. Baldrian, ich will bei dir sein.“
    Das Licht ging an. Es brannte in den Augen. Sie starrten in ihre Alltagsgesichter, sahen zu Boden. War es nicht an der Zeit zu gehen? Sicher. Sie holten ihre Sachen. Die Frauen drängelten sich vor, riefen ihre Nummer und bekamen ihre Garderobe zuerst ausgehändigt.
    Dann standen sie wieder auf der Straße, wo nicht eine Spur verriet, daß es einen solchen Ort auf der Welt gab. Sie sahen den Bürgersteig entlang. Ein älteres Frauenpaar mit zwei lachsroten Köfferchen verschwand um die Ecke.
    „Aber war das nicht...?“
    „...alles nur Einbildung?“
    Petronius spürte Baldrians warme Hand und gewann sofort seine Sicherheit zurück. Herrlein Uglemose und Fandango kamen aus der Tür gehüpft. Sie blieben auf der Treppe stehen und gaben sich einen Kuß. Sanft lächelnd und glücklich standen die beiden da und strahlten sich an.
    „Das Abendessen wartet bereits“, erklärte Herrlein Uglemose. Dann gingen sie alle vier Arm in Arm zur großen, weißen Villa auf dem Plattenberg.

Der gerechte Zorn einer Mutter

    „Ich verstehe nicht, warum du soviel Wind machst“, sagte Rut Bram zu ihrem Sohn, während sie im Zimmer auf und ab ging. „Die ganze Geschlechtsdiskriminierung ist aufgehoben, Männer können genau die gleichen Dinge tun wie Frauen, wenn sie sich nur bemühen.“
    Im Prinzip stand dem nichts im Wege, daß in Egalia alle alles werden konnten. Die Gründermütter hatten auf dem Demokraberg ein streng egalitäres Grundgesetz verabschiedet, in welchem das Recht aller auf alles unabhängig von allem für immer festgelegt worden war.
    Welches seien denn die Rechte, die Männern angeblich nicht zugestanden würden, wenn sie mal fragen dürfe? Ein Mann könne doch zur Luzia noch mal werden, was er wolle, wenn er nur Einsatzbereitschaft zeige. Und eben daran mangele es. „Die Männer wollen ja nicht!“ Rut Bram machte eine Kunstpause, als werde sie einige Zeit bei dem Gedanken verweilen, daß Männer nicht wollten. „Die Männer wollen am liebsten zu Hause sein. Laß sie doch.“ So sollten er und seine Männerbewegung doch nicht agitieren. Die Männer bekämen nur ein schlechtes Gewissen und empfänden ihre Arbeit als wertlos. Eigentlich sei sie aber tausendmal wertvoller — „tausendmal, Petronius“ — als die, die Frauen wie sie selber verrichteten, wenn sie in irgendwelchen Papieren herumwühlten, zu Besprechungen gingen und wichtige Beschlüsse im Interesse des Landes faßten. Ungleich wertvoller und grundlegend. Außerdem würden Männer viel eher zum Kinderaufpassen passen. Um ihren Mund spielte ein Lächeln. Das mußte sie sich merken: Die Männer passen zum Kinderaufpassen. Lustiges Wortspiel.
    „Wenn aber die Arbeit der Männer so wertvoll ist, wie du sagst, warum bekommen sie dann dafür keinen Lohn?“ Dieser Gedanke war Petronius plötzlich durch den Kopf gegangen, ohne daß er früher darüber nachgedacht hatte.
    Seine Mutter verstummte für einen Augenblick. Doch während sie schwieg, feilte sie bereits an mehreren brauchbaren Gegenargumenten. Entlohnung!? Nein, jetzt schien ihr Sohn völlig durchzudrehen. Wo solle denn das

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