Die Tonne mit dem Totenkopf
hinaufführte. Oben waren Strohballen aufgeschlichtet. Zwischen zwei Stapeln war ein Spalt zu erkennen, gerade so groß, daß sich ein kleiner Mensch hineinzwängen konnte. Dort wollte Lilo untertauchen.
In Windeseile kletterten die beiden hinauf. Dominik schlüpfte gerade stöhnend in den engen Zwischenraum, als unter ihm das Tor aufgerissen wurde. Obwohl das Stroh sich durch sein T-Shirt bohrte und ihn kratzte und stach, preßte er sich noch weiter nach hinten.
Der Traktor fuhr herein, und der Motor wurde abgestellt.
„Anton!“ brüllte eine tiefe Stimme. „Falls du dich wieder im Heu verkrochen hast, dann bleib dort, du Nichtsnutz! Abendessen gestrichen. Ich will dich vor morgen nicht wieder sehen!“ Gleich darauf wurde das Scheunentor zugeschlagen.
„Außer uns ist also noch jemand hier herinnen“, flüsterte Lilo Dominik zu.
„Aber wer ist dieser Anton?“ wollte der Junge wissen. Lilo zuckte mit den Schultern und deutete ihrem Knickerbocker-Kumpel mitzukommen. Der Spalt zwischen den Strohballen erschien ihr nämlich nicht zufällig. Er führte weiter nach hinten. Das Mädchen zog eine kleine Lampe aus der Tasche. Die hatte ein echter Knickerbocker immer dabei. Sie knipste sie an und leuchtete den schmalen Gang ab. Er endete bei einer Holzwand.
Die Luft im Stroh war noch heiß vom Tag und stickig. Die beiden Knickerbocker gerieten ziemlich ins Schwitzen, als sie weiterkrochen.
„Sackgasse“, brummte Dominik enttäuscht, als sie die Bretterwand erreichten. Die Strohballen waren links und rechts fest gegen das Holz gepreßt. Seitlich konnte man also auf keinen Fall weiter.
Doch ein echter Knickerbocker läßt niemals locker. Und deshalb begann Lilo, die Latten genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie tastete sie langsam von oben nach unten ab. Als sie schon fast beim Boden angelangt war, geschah es. Plötzlich gaben drei Bretter nach und kippten nach vorn. Allerdings waren sie so in der Wand befestigt, daß die oberen Enden nach innen rotierten und Dominik auf den Kopf knallten.
„Aua!“ schrie dieser. „Bist du nicht ganz bei Trost?“ Jammernd rieb er sich die zukünftige Beule.
„Entschuldige“, murmelte Lieselotte. „Aber das ist eine Art Geheimtür. Schau, hier geht es doch weiter.“
Sie kroch ein Stück voran und schnupperte. Dann drehte sich das Mädchen um und berichtete: „Wir sind auf dem Heuboden über dem Stall!“
Die beiden Knickerbocker krabbelten hinein und verharrten dann wieder einen Moment ganz ruhig.
Knarrend öffnete sich eine große Luke in der rechten Wand, die hinaus in Richtung Wiese führen mußte. Wahrscheinlich wurde durch sie das Heu hereingebracht. Das Holztor schwenkte zur Seite, und im selben Moment zuckte ein Blitz. Für den Bruchteil einer Sekunde war der Raum erhellt. Der Heuboden war bis auf ein paar kleine Haufen getrocknetes Gras ziemlich leer. Allerdings hatte die kurze Beleuchtung ausgereicht, um Lilo auf etwas aufmerksam zu machen. Sie richtete sich auf und schlich langsam auf einen der Heuhaufen zu.
Anton
„Tag, Anton“, sagte Lilo leise und leuchtete mit der Taschenlampe hin.
Hinter dem Heuhaufen tauchte der Kopf eines ungefähr zwölfjährigen Jungen auf. Seine Haare waren sehr kurz geschnitten, und eines fiel sofort an ihm auf: Sein linkes Ohr stand weit ab, während das rechte am Kopf anlag.
„Bitte... bitte verhau mich nicht“, flehte er Lilo an und wich nach hinten zurück.
„Wieso sollte ich dich verhauen?“ fragte Lilo.
„Bist du... bist du nicht sauer?... Wegen des Heus... und der... und des Steines?“ In Antons Stimme war Angst zu hören.
„Du hast also das Heu auf Axel und Poppi geworfen und den Stein durch das Fenster geschossen? Wieso hast du das gemacht?“ wollte Lilo wissen.
Anton zitterte am ganzen Körper. „Ich... ich“, stammelte er, „ich wollte es nicht. Ich habe geglaubt... SIE wären wieder da im Stall. Doch dann habe ich euch weglaufen gesehen. Ich bin euch nach! Ihr seid zu der dicken Fee gelaufen. Da habe ich mich erinnert, daß sie einmal erzählt hat, daß ihr Neffe zur Knickerbocker-Bande gehört. Ich habe mir gedacht, daß ihr das sein müßt. Aber wegen der Schlangen traue ich mich nicht zum Haus von der Frau Felicitas. Deshalb habe ich den Stein geworfen. Leider kann ich nicht gut zielen. Wieso seid ihr in der Nacht wieder weggelaufen?“
Lilo und Dominik ließen sich neben Anton auf den Boden sinken. Zuerst erklärte das Superhirn dem Jungen einmal, mit wem er es zu tun hatte, und
Weitere Kostenlose Bücher