Die Tonne mit dem Totenkopf
daß er bisher immer die andere Hälfte der Knickerbocker-Bande gesehen hatte.
„Sag, Anton, wer ist der Mann, der vorhin nach dir gerufen hat?“ erkundigte sich Lilo.
„Mein Onkel. Wißt ihr, meine Eltern sind vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Danach hat Papas Bruder – Onkel Gert – den Hof übernommen. Aber er mag mich nicht, und ich kann ihn auch nicht leiden. Im vergangenen Winter ist dann auch noch Tante Julia – seine Frau – fortgegangen. Sie hat es mit ihm nicht mehr ausgehalten. Seither kann ich überhaupt nicht mehr mit ihm reden. Onkel Gert ist völlig verändert. Er hat viel getrunken und sich kaum noch um den Hof gekümmert. Aber seit dem Frühling macht er irgend etwas, von dem ich nichts wissen darf. Er hat mich immer wieder in der Nacht in mein Zimmer eingesperrt.“
Lieselotte schaute den Jungen erstaunt an. „Eingesperrt? Wozu das? Hast du irgend etwas mitbekommen? Was hat er in diesen Nächten gemacht?“
Anton erzählte weiter: „Ich habe einen Lastwagen gehört, der in den Hof gekommen ist. Nach ungefähr einer Viertelstunde ist er wieder fortgefahren. Onkel Gert war dann immer den ganzen nächsten Tag unterwegs. Auf dem Traktor mit dem Anhänger.“
Lilo überlegte kurz und meinte dann: „Der Lastwagen hat sicherlich etwas gebracht. Aber was?“
„Gestern habe ich zum erstenmal etwas gesehen. Onkel Gert hat es im Kuhstall versteckt. Unter dem Strohhaufen. Ich glaube, es war ein Faß – aus Metall.“
Lieselotte runzelte nachdenklich die Stirn. „Ein Faß? Wieso darfst du ein Faß nicht sehen?“
Dafür wußte Dominik eine einfache Erklärung: „Es muß sich um eine Art ,Verbotenes Faß’ handeln. Vielleicht ist Schmugglerware drinnen? Oder Wein?“
Für Lilo ergab das noch keinen Sinn. Doch sie wollte noch etwas anderes erfahren: „Anton, wieso hast du Axel und Poppi eine Ladung Heu auf den Kopf geworfen? Die beiden wären beinahe erstickt.“
Der Junge mit dem abstehenden Ohr senkte den Kopf. „Wißt ihr, ich drehe bald durch. Den ganzen Tag verstecke ich mich vor Onkel Gert, weil er oft entsetzliche Wutausbrüche bekommt und mich dann verprügelt. Ich sitze immer hier oben und lese. Manchmal traue ich mich den ganzen Tag nicht hinunter und bekomme auch nichts zu essen. Als ich Stimmen im Stall gehört habe, da dachte ich, sie haben mit dem Lastwagen zu tun. Er war in der Nacht zuvor wieder da. Deshalb wollte ich die Leute erschrecken. Als sie dann fortgelaufen sind, habe ich gesehen, wen ich getroffen habe. Aber wißt ihr, wieso die beiden plötzlich vom Kraftwerk fortgerannt sind?“ fragte er.
„Weil sie den Chinesen gesehen haben“, erzählte Lilo. „Wer ist das?“ wollte sie von Anton wissen.
„Chinese? Welcher Chinese?“ Der Junge hatte keine Ahnung, wovon die Rede war.
„Es gibt einen Chinesen in einem grünen Anzug, der um euren Hof herumschleicht und in der Nacht auch im Kraftwerk war. Hast du ihn nicht bemerkt?“ wunderte sich das Mädchen. Anton verneinte.
„Das Faß, das am Freitag gebracht worden ist, hat dein Onkel mittlerweile fortgebracht“, wiederholte Lilo. „Aber wohin und wieso? Gibt es eine Möglichkeit, das herauszufinden?“
Anton überlegte kurz und schüttelte dann heftig den Kopf. „Aber ich werde die Augen offenhalten und versuchen, mehr zu erfahren“, versprach er.
Zum Glück konnten die beiden Knickerbocker den Heuboden durch die Luke in der Seitenwand verlassen. An dieser Seite des Gehöftes war die Erde so angeschüttet, daß sich die Wiese bis zum ersten Stock hinaufzog. Über diese Rampe konnte der Heuwagen fahren und dann bequem abgeladen werden.
Für Lilo und Dominik war die Auffahrt ebenfalls großartig. Sie hatten so die Möglichkeit fortzuschleichen, ohne den Hof überqueren zu müssen.
Nach ihrer Rückkehr suchte Dominik im Haus von Tante Fee verzweifelt nach etwas.
„Hier gibt es jede Menge Schlangen, aber kein einziges Blatt Papier zum Schreiben“, jammerte er.
Die rundliche Tante, die bis dahin auf dem Sofa ihr Nachmittagsschläfchen gehalten hatte, erwachte und knurrte: „Papier schon! Bei mir wirst du aber nur Umweltschutzpapier finden. Für Papier sollen nicht so viele Bäume gefällt werden!“
Dominik drehte sich erschrocken um. „Äh... ich wollte dich nicht wecken“, stammelte er entschuldigend.
„Schon geschehen, und ich verzeihe dir zum vorletztenmal“, witzelte Frau Felicitas.
„Wie hast du das mit den Bäumen gemeint?“ wollte der Junge wissen.
„Papier
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