Die Tore Der Finsternis
verleitete, ihn zu unterschätzen.
»Ach so«, meinte er nickend. »Richten Sie denen aus, ich tu’s.«
»Ich hab Ihnen doch noch gar nicht gesagt, was die von Ihnen wollen.«
»Ich weiß , was sie wollen.«
Rebus sah ihn an. »Cafferty wird Sie dafür umbringen lassen.«
»Ja klar, wenn er’s kann.«
»Aly und Sie müssen sich sehr nahe stehen.«
»Seine Mutter starb, als er zwölf war. Das ist schlimm für ein Kind.« Er betrachtete den schmalen, von Müll übersäten Wasserweg, als wäre er ein Tourist in Venedig. Eine Radfahrerin kam ihnen auf dem Pfad entgegen und nickte dankend, als sie zur Seite traten, um sie vorbeizulassen.
Mit zwölf hatte Rebus’Tochter allein mit ihrer Mutter gelebt - die Ehe ihrer Eltern war gescheitert.
»Ich hab getan, was ich konnte«, sagte das Wiesel. Seine Stimme klang emotionslos, und Rebus glaubte nicht, dass er ihm immer noch etwas vorspielte.
»Wussten Sie, dass er gedealt hat?«
»Natürlich nicht. Sonst hätte ich ihn davon abgebracht.«
»Hätte allerdings bei Ihnen ein bisschen heuchlerisch gewirkt, oder?«
»Schnauze, Rebus.«
»Ich meine, Sie hätten ihm doch zumindest einen Job bei Ihrem Chef verschaffen können. Für einen Pusher dürfte er doch immer Verwendung haben.«
»Aly weiß nichts von meiner Verbindung zu Mr Cafferty«, zischte das Wiesel.
»Ach?« Rebus lächelte humorlos. »Big Ger wird nicht besonders begeistert sein, stimmt’s? Also sind Sie so oder so am Arsch.« Er nickte nachdenklich. Wenn das Wiesel seinen Chef verpfiff, war er erledigt. Und wenn Cafferty herausfand, dass der Sohn seines treuesten Dieners ihm in seinem Revier Konkurrenz gemacht hatte - tja, das Wiesel würde in jedem Fall Ärger kriegen. »In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken«, fuhr Rebus fort und zündete sich eine Zigarette an. Er zerknüllte die leere Schachtel, warf sie auf den Boden und kickte sie dann in den Kanal.
Das Wiesel hockte sich hin, fischte sie heraus und steckte sie, nass wie sie war, in die Tasche seines speckigen Mantels. »Wie es scheint, räume ich andauernd für andere Leute den Dreck weg«, erklärte er.
Rebus war klar, woran er dabei dachte: nämlich an Sammy im Rollstuhl, an den Kerl, der Fahrerflucht begangen hatte.
»Ich bin Ihnen nichts schuldig«, sagte Rebus ruhig.
»Keine Sorge, das ist nicht mein Stil.«
Rebus starrte ihn an. Bei jeder ihrer bisherigen Begegnungen war das Wiesel in seinen Augen - ja, was war er in seinen Augen gewesen? Caffertys Vasall, ein Krimineller - jemand, der eine bestimmte Funktion innehatte, eine feste, unveränderliche Größe in Rebus’ Welt. Aber nun sah er in ihm den Vater, den Menschen. Bis heute hatte er noch nicht einmal geahnt, dass das Wiesel einen Sohn hatte. Nun
wusste er außerdem, dass der Mann seine Frau verloren und sein Kind allein durch die schwierigen Jahre der Pubertät gebracht hatte. In der Ferne war ein Schwanenpaar eifrig dabei, sich zu putzen. Es hatte von jeher Schwäne auf dem Kanal gegeben. Es kursierte das Gerücht, dass die Wasserverschmutzung sie umbrachte, die Leute von der Brauerei aber regelmäßig neue Schwäne aussetzten, damit niemand dahinterkam. Jedenfalls sahen die Tiere immer gleich aus.
»Lassen Sie uns einen trinken gehen«, schlug Rebus vor.
Der Pub namens Diggers hieß eigentlich gar nicht Diggers. Offiziell nannte er sich Athletic Arms, aber weil er sich in der Nähe eines Friedhofs befand, hatte sich der andere Name eingebürgert. Der Laden warb auf einem blank polierten Messingschild voller Stolz für das Bier der benachbarten Brauerei. Der Barkeeper hatte die Bestellung des Wiesels zuerst für einen Scherz gehalten, aber Rebus hatte mit den Achseln gezuckt, also hatte der Mann sich gefügt.
»Ein großes Eighty und ein Campari Soda«, sagte der Barkeeper nun und stellte die Gläser vor sie hin. Den Campari zierte ein kleiner Papierschirm und eine Cocktailkirsche.
»Witzbold«, sagte das Wiesel und deponierte beides im Aschenbecher. Einen Augenblick später gesellte sich die gerettete Zigarettenschachtel hinzu.
Sie suchten sich einen Tisch in einer ruhigen Ecke und setzten sich. Rebus nahm zwei große Schlucke aus seinem Glas und leckte sich den Schaum von der Oberlippe. »Wollen Sie’s wirklich tun?«
»Es geht um meine Familie, Rebus. Sie würden doch auch alles für Ihre Familie tun, oder?«
»Möglich.«
»Obwohl - haben Sie nicht Ihren eigenen Bruder hinter Gitter gebracht?«
Rebus sah ihn an. »Er hat sich selbst hinter Gitter
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