Die Tore Der Finsternis
seine Schulter auf einen Stapel Papiere, aus denen er gerade vorlas.
»Was ist das?«, fragte Rebus, während er sein Jackett auszog.
Tennant unterbrach seine Lesung. »Die Akte von Richard
›Dickie‹ Diamond. Ihre Edinburgher Genossen haben sie uns gerade gefaxt.«
»So gut organisiert kenne ich die gar nicht.« Rebus beobachtete durchs Fenster, wie ein Wagen die Zufahrtsstraße entlangfuhr. Das war vielleicht Strathern auf dem Weg nach Hause. Der Chauffeur vorn, der Chef auf dem Rücksitz.
»Kein Kind von Traurigkeit, dein Dickie«, sagte Francis Gray.
»Er war nicht mein Dickie«, erwiderte Rebus.
»Aber du hast ihn doch gekannt? Hast ihn ein paar Mal eingelocht?«
Rebus nickte. Leugnen war zwecklos. Er nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz, dem Rest der Gruppe gegenüber.
»Hast du nicht behauptet, ihn nur vom Hörensagen zu kennen, John?«, fragte Gray mit funkelndem Blick. Tennant blätterte die Seite um.
»Ich war noch nicht fertig«, sagte Tam Barclay.
»Wieso hast du uns noch nie erzählt, dass du Legastheniker bist?«, beschwerte sich Gray, während Tennant Barclay das Blatt gab.
»Soweit ich weiß, habe ich gesagt, dass ich ihn kaum kenne«, erwiderte Rebus auf Grays Frage.
»Du hast ihn zweimal verhaftet.«
»Ich habe schon viele Leute verhaftet, Francis. Trotzdem ist nicht jeder mein Busenfreund geworden. Einmal hat er einen Typen in einem Nachtklub niedergestochen und ein andermal jemandem Benzin in den Briefkasten geschüttet. Letztere Sache ist allerdings nie vor Gericht gekommen.«
»Du erzählst uns nichts Neues«, bemerkte Jazz McCullough.
»Es kann nicht jeder so superschlau sein wie du, Jazz.«
McCullough blickte auf. Alle blickten auf.
»Stimmt was nicht, John? Hast du deine Tage, oder was?« Das kam von Stu Sutherland.
»Vielleicht hat Andrea ihn abblitzen lassen«, meinte Francis Gray.
Rebus blickte in die Reihe der Gesichter; dann setzte er ein versöhnliches Lächeln auf. »Tut mir Leid, Jungs, tut mir echt Leid. Bin wohl ein bisschen neben der Spur.«
»Deshalb sind Sie schließlich hier«, erinnerte ihn Tennant. Er tippte mit dem Finger auf die Akte. »Ist dieser Typ je wieder aufgetaucht?«
Rebus zuckte mit den Achseln.
»Und er hat sich verdrückt, kurz bevor die Kollegen aus Glasgow bei ihm angeklopft haben?«
Rebus zuckte erneut die Achseln.
»Hat sich verdrückt oder wurde um die Ecke gebracht«, warf Allan Ward ein.
»Schön, dass du auch noch da bist, Allan«, meinte Gray. Rebus musterte die beiden Männer. Sie schienen sich nicht besonders grün zu sein. Er fragte sich, ob Allan wohl bereit wäre, seine Mitverschwörer auffliegen zu lassen. Er bezweifelte es. Allerdings war er von den drei mutmaßlichen Bösewichtern der mit Abstand unerfahrenste.
»Allan hat Recht«, sagte Tam Barclay. »Vielleicht wurde Diamond tatsächlich umgebracht. Aber egal, was mit ihm passiert ist, es sieht auf jeden Fall so aus, als habe er etwas gewusst... oder als habe er zumindest befürchtet, jemand könnte das glauben.«
Rebus musste ihm zustimmen - Barclay hatte am Morgen offenbar seine Intelligenzpillen geschluckt. Tennant tippte wieder auf die Akte.
»Die nutzt uns jedenfalls gar nichts. Hier steht kein Wort darüber drin, was seitdem mit Diamond geschehen ist.«
»Wir könnten eine landesweite Anfrage rausgeben. Vielleicht ist er ja in irgendeiner anderen Stadt unangenehm aufgefallen.« Der Vorschlag kam von Jazz McCullough.
»Gute Idee«, sagte Tennant anerkennend.
»Eins haben wir aus dieser Akte immerhin erfahren«,
stellte Francis Gray fest, »nämlich, mit wem Dickie Diamond Kontakt hatte.Wenn einer wie er sich vom Acker macht, gibt es immer jemand, der etwas darüber weiß. Damals wollte dieser Jemand vielleicht nichts sagen, aber nach so vielen Jahren...«
»Sie wollen mit seinen Bekannten sprechen?«, fragte Tennant.
»Kann doch nicht schaden. Die Jahre vergehen, Leute fangen an, Geschichten über die alten Zeiten zu erzählen.«
»Wir könnten Lothian and Borders bitten...«
Sutherland wurde von Gray unterbrochen. »Ich glaube, unsere Freunde in der Hauptstadt sind ziemlich beschäftigt.« Er warf Rebus einen Blick zu. »Hab ich Recht, John?«
Rebus nickte. »Die Ermittlungen im Fall Marber laufen auf Hochtouren.«
»Das kann schon sein«, sagte Gray. »Aber manchem Kollegen bleibt trotzdem noch genug Zeit für eine Tasse Tee.«
Die anderen lächelten. Gray war um den Tisch herumgegangen, so dass er Tennant ins Gesicht sehen
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